Donnerstag, 1. Dezember 2022

Brandon Q. Morris: Möbius III

Hard Science Fiction (Das zeitlose Artefakt 3)

Das Artefakt birgt viele Geheimnisse und Informationen. Ingibjörg findet darauf zum Beispiel einen Brief, den sie sich selber in einer nicht bestimmbaren Zukunft darauf hinterlassen haben wird. Vielleicht ergibt sich so eine Chance, ihren lange verschollenen Mann Ansgar wiederzufinden, der während seiner Arbeit an dem Artefakt verloren ging. Auch Max und Liz arbeiten weiter daran, die Erde endlich aus dieser Zeitblase zu befreien, in der sie in immer größer werdenden Schritten weiter in die Vergangenheit geworfen wird. Einzig Präsident Penrose, Leiter einer noch zu gründenden Marskolonie und unzweifelhaft Profiteur der Zeitblase, versucht, sie daran zu hindern. Dafür stehen ihm loyale Untergebene und überlegene Technologie zur Verfügung. Die Uhr tickt.

Ein bis zum Nägelabkauen spannender Science Fiction, den zu lesen ich dringend empfehle. 

Lesen, und zwar unbedingt und sofort!

Sonntag, 27. November 2022

Axel Rehe: Ein Steinbruch in Neustadt wird Kloster und Festspielbühne

Was ich durch den Herrn Rehe doch so alles über meine Wahlheimat lerne: 

Das Herz-Jesu-Kloster hoch über Neustadt, ein aus dem Fenster meines Wohnzimmers gut sichtbares Bildungshaus und eines der Wahrzeichen Neustadts, hat eine interessante, wechselhafte und bewegte Geschichte hinter sich. Zunächst befand sich auf dem Gelände ein Steinbruch, mit dessen Sandsteinen auch bekannte Bauwerke in der Pfalz und ihrer näheren Umgebung errichtet wurden. Dann wurde das Gelände umgewidmet, und ein Kloster öffnete dort seine Pforten. So ganz nebenbei befand sich hier auch noch die in den 20er Jahren größte Freilichtbühne Deutschlands, wo vor eindrucksvoller Felskulisse der "Jedermann" oder monumentale Bibelepen mit hunderten Statisten gegeben wurden. Genau bis in diese zwanziger Jahre erzählt Herr Rehe die Geschichte und bebildert sie reichlich mit Archivfotos, Bauplänen und Kartenausschnitten. 

Was in den dreißiger und vierziger Jahren dort passierte deutet er zwar nur an, aber das scheint mindestens ebenso interessant zu ein. Deshalb hoffe ich schon einmal auf eine Fortsetzung.

Lesen, und zwar unbedingt und sofort.

Freitag, 11. November 2022

David Liittschwager: Das geheime Leben von Oktopus, Seepferdchen und Qualle

Mit Texten von Elizabeth Kolbert, Jennifer Holland und Olivia Judson

Uff! Ich habe ja schon viele wunderschöne Bücher gelesen. Tolle Bildbände waren dabei, informative Sachbücher und faszinierende Erzählungen. Aber dieses üppige Werk - etwas größer als eine Vinyl-EP (die Älteren unter uns werden sich erinnern) - hat mich geradezu erschlagen: Die Essays der Autorinnen sind faszinierend, auch die Bildtafeln, die die Biologie der beschriebenen Tiere erklären, sind wissenschaftlich korrekt und didaktisch wertvoll. Als studierter Biologe weiß ich zwar fast alles davon, aber ich mag es, wenn es noch einmal kurz, anschaulich und fachlich richtig auf den Punkt gebracht wird. 

Aber die großformatigen Fotografien haben mir ob der eingefangenen Schönheit der Kreaturen schlicht die Tränen in die Augen getrieben. Handwerklich überaus geschickt, respektvoll und mit sehr viel Präzision fängt Liittschwager so viele Details ein, dass man seinen Augen nicht traut. 

Ein wundervolles Buch! Lesen, und zwar unbedingt und sofort!

Mittwoch, 9. November 2022

Brandon Q. Morris: Möbius II

Hard Science Fiction (Das zeitlose Artefakt 2)

Max und Liz erkennen trotz widriger Umstände, dass mit dem Ablauf der Zeit etwas durcheinander gekommen ist. Sie erschleichen sich einen Zugang zu einem kommerziellen Raumflug, um letzten Endes auf dem Mars die Zeitlinie wieder in Ordnung zu bringen. Klingt haarsträubend, ist aber, wie immer bei diesem Autor, sehr gut durchdacht und durchaus mit den Naturgesetzen die uns bisher bekannt sind vereinbar. Eine tolle Geschichte.

Lesen, und zwar unbedingt und sofort.

Dienstag, 25. Oktober 2022

Luisa Neubauer, Dagmar Reemtsma: Gegen die Ohnmacht

Wenn die sehr bekannte Klimaaktivistin Luisa Neubauer zusammen mit ihrer ebenfalls nicht unbekannten Großmutter ein Buch schreibt, dann öffnen sich Horizonte. Beide Frauen haben durchaus unterschiedliche Biographien, doch sie verbindet auch eine große Gemeinsamkeit: Der Wunsch, aktiv in das Weltgeschehen einzugreifen, Dinge zu verbessern und die Welt etwas besser und gerechter zu machen. So finden sich, trotz des Altersunterschieds, auch auffällige Parallelen. Beide haben bestimmte Zusammenhänge zwischen Ökonomie, Ökologie und sozialer bzw. globaler Gerechtigkeit verstanden und durchdrungen. Die Eine aufgrund von Lebenserfahrung, Intuition und eigener Recherche, die Andere nicht zuletzt durch das Vorbild einer wunderbaren Großmutter und durch ihr Geographiestudium. 

Letzteres lege ich übrigens hiermit Jedermann und jeder Frau dringend ans Herz, obwohl es im Grunde eine brotlose Kunst ist. Auch dass an den Schulen dieses Fach immer weiter in den Hintergrund gedrängt wird, ist nicht gut und wird uns langfristig noch schneller in die zu erwartende Katastrophe führen. Die Leute verstehen einfach zu wenig von dem, was da draußen passiert. Das merke ich immer wieder, wenn ich mich über das teilweise unfassbar ignorante Geschwafel mancher Politiker aufrege. Das muss jedem Gymnasiasten in der achten Klasse mit nur zwei Wochenstunden Erdkunde wie der blanke Hohn vorkommen.

Ich schweife wieder einmal ab.

Ein tolles und brandaktuelles Buch.

Lesen, und zwar unbedingt und sofort. 

Mittwoch, 19. Oktober 2022

Brandon Q. Morris: Möbius

Hard Science Fiction (Das zeitlose Artefakt 1)

Auf Island wird ein rätselhaftes Artefakt entdeckt. Es besitzt Eigenschaften, die nicht so recht zu den Erfahrungen der beteiligten Wissenschaftlern passen wollen. Elisabeth ist als Mathematikerin ebenfalls beteiligt, und sie erschließt aus der nicht fassbaren Form des Objektes, dass es sich um eine Projektion handeln muss. Die Projektion eines mindestens sechsdimensionalen Körpers in die vierdimensionale Wirklichkeit. Mit dieser Arbeitshypothese lassen sich zumindest die bisher bekannten Eigenschaften des Artefakts mühelos erklären. Auch seine seltsamen Auswirkungen auf der Zeitablauf. Doch nicht nur die Wissenschaft interessiert sich für das Objekt. 


Verdrehter Zeitablauf und Spannung bis zum Abwinken. Ich liebe dieses Buch und freue mich bereits auf den zweiten Teil. Alle verfügbaren Daumen nach oben und drölf Sterne! Lesen, und zwar unbedingt und sofort!

Donnerstag, 6. Oktober 2022

Brandon Q. Morris: Die Bake

Hard Science Fiction

Peter ist Lehrer. Physik und Mathematik an einem Gymnasium. Das mag wenig aufregend klingen, aber dafür hat er in seiner Freizeit ein sehr spannendes Hobby - die Astronomie. Ein Wenig leidet seine Ehe schon darunter, dass er sich die kalten Winternächte unter freiem Himmel um die Ohren schlägt, aber eigentlich ist es ihm gleich. Er und seine Frau haben sich auseinandergelebt, so geht jetzt jeder seinen eigenen Weg. So weit - so langweilig. 

Eines Tages bemerkt er, dass sein hochmodernes Teleskop sich auf bestimmte Objekte am Himmel nicht mehr automatisch ausrichtet. Er glaubt zunächst an ein Firmwareproblem, doch nach und nach begreift er die eigentliche Ursache dieses Phänomens in seiner ganzen Tragweite: Einige der Sterne, die von der Software für die automatische Ausrichtung herangezogen werden, sind schlicht und ergreifend verschwunden. Er versucht, in der Anordnung der erloschenen Himmelskörper eine geometrisches Muster zu finden. Erschreckenderweise findet er es, und auch die Sonne unseres Systems ist ein Teil davon. Sie könnte demnach auch ein Kandidat für ein baldiges Erlöschen sein.

Immer wieder verblüfft mich der Autor damit, dass er in seinem Romanuniversum den Überblick behält. Auch dieses Buch spielt in diesem Universum, wenn auch z. B. rund 20 Jahre vor der Enceladus-Geschichte. So ganz nebenbei werden hier Charaktere angelegt, die in der Chronologie der Handlung erst viel später eine Rolle spielen. 

Das macht mir beim Lesen großen Spaß. 

Ein tolles Buch! Lesen, und zwar unbedingt und sofort.

Freitag, 30. September 2022

Brandon Q. Morris: Die dunkle Quelle

Hard Science Fiction

Der längs verloren geglaubte Lander Philae der ESA-Sonde Rosetta meldet sich, entgegen jeder technisch erwartbaren Möglichkeit, wieder. Vom Asteroiden 67P aus, auf dem er vor Jahren eine Bruchlandung gemacht hat, und wo seine Solarpanels seitdem im Schatten liegen. Und er funkt geradezu unglaubliche Messergebnisse zur Erde. Eine Mondlandungsmission der NASA sowie eine private Mission mit Touristen werden spontan umfunktioniert, um der Sache auf den Grund zu gehen. Das kann eigentlich nicht gut gehen.

Auch in diesem Roman bewegt sich der Autor ganz nah an den Möglichkeiten der (theoretischen) Physik. Dass er mit dem Weltraumtouristen Brandon sein Alter Ego in die Handlung einschleust, verschafft dem Roman so manch interessanten und witzigen Ausflug auf die Metaebene. 

Lesen, und zwar unbedingt und sofort.

Samstag, 17. September 2022

Brandon Q. Morris: Das Uranus-Fiasko

Hard Science Fiction

Nick ist Astronaut. Nach mehreren besonders heiklen Missionen für den russischen RB-Konzern genießt er den Ruhestand dank der fürstlichen Honorare auf einem komfortablen Weingut. Mit ihm zusammen leben seine Frau und Mutter seiner längst erwachsenen Tochter sowie die Mutter seines Sohnes. So könnte es für immer bleiben. Aber RB braucht ihn nicht nur erneut, der Konzern hat ihn auch in der Hand und kann seine Kooperation erzwingen. So macht er sich erneut auf eine mehrere Jahre dauernde Reise. Mit dabei ist auch sein alter Freund Witali. Und „alter“ Freund ist hier durchaus wörtlich zu verstehen. Beide Astronauten sind um die 70 Jahre alt. 

Auch dieser Roman aus dem Universum der Brandon Q. Morris ist wieder spannend bis zum Nägelabkauen. Gleichzeitig sind die physikalischen Gesichtspunkte der Romanhandlung überaus durchdacht. Hier schreibt ein Naturwissenschaftler, das merkt man sofort.

Lesen, und zwar unbedingt und unverzüglich!

Donnerstag, 8. September 2022

Brandon Q. Morris: Das Triton-Desaster

Hard Science Fiction

Die kommerzielle Raumfahrt ist alltäglich geworden und Astronauten genießen längst nicht mehr den Nimbus der frühen Tage. Nicks Frau Rosie ist Astronomin, ihr wurde eine prestigeträchtige Stelle beim Very Large Array-Teleskop angeboten. Nick verzichtete deshalb auf seine Karriere bei der NASA und fliegt seitdem für einen privaten Anbieter Touristen ins All. Doch mit der Zeit bekommt Nick Probleme. Es verändert einen Menschen eben, wenn man seine Träume aufgibt. Nick und Rosie leben sich auseinander und so kommt es zur Trennung. Zurück bleibt ein arbeitsloser, gebrochener Mann mit Astronautenausbildung in einem leeren Haus. 

Doch dann bekommt er ein geradezu unglaubliches Angebot vom russischen RB-Konzern, verbunden mit einem märchenhaften Honorar. Eine mehrjährige Reise beginnt. Doch der RB-Konzern weiht ihn längst nicht in alle notwendigen Informationen zu dieser Expedition ein.

Die Geschichte einer gescheiterten Existenz mit einer überraschenden zweiten Chance wandelt sich bald zu einem Thriller, einer Detektivgeschichte gar. Und sie nimmt ein überaus überraschendes, ja verblüffendes Ende.

Ein tolles Buch. Lesen, und zwar unbedingt und sofort!


Freitag, 2. September 2022

Brandon Q. Morris, Ashton McLee: Clouds of Venus

Hard Science Fiction

Eric und Nuria sind zwei junge Astronauten der NASA. Sie trainieren mit hochmodernen ferngelenkten Roboteravataren, denn sie bereiten sich auf eine sehr spezielle Mission vor: Sie sollen von einem Raumschiff in die Umlaufbahn der Venus gebracht werden. Dort senken sie ein speziell konstruiertes Luftschiff in die dichte Atmosphäre des ungleichen Erdenzwillings ab um dann mit ihren Avataren auf Außenmissionen eine Forschungsprojekt durchzuführen. Doch auch der RB-Konzern des zwielichtigen russischen Milliardärs Nikolai Schostakowitsch ist am Start. Neben moderner Technik setzt der auf seinen größten Trumpf: Eine weitere illegale Kopie der Marchenko-KI. Eigentlich ist die Venus nach international geltendem Recht eine Schutzzone, in der kein Bergbau betrieben werden darf. Aber auch der Bergbaukonzern des Russen betreibt natürlich Grundlagenforschung, ganz ähnlich wie heute die japanischen Walfangflotten in den Gewässern der Antarktis.

Der Wettlauf beginnt.

Es ist eigentlich kaum zu glauben, dass die beiden unter Pseudonymen schreibenden Autoren Physiker sind und nicht Biologen. Astrobiologen, um genauer zu sein. Ihre Phantasie in Bezug auf mögliche Lebensformen auf dem lebensfeindlichen Höllenplaneten Venus ist großartig und hält sich gleichzeitig an wissenschaftliche Fakten. 

Lesen, und zwar unbedingt und sofort!

Montag, 29. August 2022

Brandon Q. Morris: Lost Moon - Mondfinsternis

Hard Science Fiction

„Was wäre wenn…?“

Das ist die Grundidee von Sciencefiction. Es werden wenige Parameter an der Wirklichkeit geändert, und dann schaut man, was passiert. Zugegeben: In diesem Buch ändert der unter einem Pseudonym schreibende deutsche Physiker einen ganz großen Parameter. Er setzt nämlich voraus, dass die Menschheit die Prozesse der Quantenmechanik so weit versteht und beherrscht, dass sie sich in der Lage sieht, auch sehr große Objekte sehr weit zu transportieren. In diesem Fall den Mond. Und zwar ins Kepler 16-System. In diesem Doppelsternsystem umkreist er nun einen Gasriesen, der in der offiziellen Terminologie Kepler-16 (AB)-b heißt, von den paar Dutzend Bewohnern verschiedener Mondstationen aber bald „Zeus“ getauft wird. 

Zugegeben: Das Szenario ist nicht sehr wahrscheinlich. Trotzdem lässt sich damit exemplarisch durchspielen, wie sich eine relativ kleine Gruppen von Menschen mit sehr begrenzten Ressourcen verhält, wenn mit Kontakt zur Heimatwelt nicht zu rechnen ist - jedenfalls nicht innerhalb der nächsten 200 Jahre. Und mit Hilfe erst recht nicht. 

Der Autor versteht es, einen innerhalb weniger Bildschirmseiten vollständig in die Geschichte einzusaugen und gefangen zu nehmen. Das Buch ist von Anfang an spannend bis zum Nägelabkauen!

Lesen, und zwar unbedingt und sofort!

Mittwoch, 24. August 2022

Brandon Q. Morris: Proxima-Logbücher

Hard Science Fiction

Ja, ja, ja! Mir ist klar, dass Sammelbesprechungen für die gezielte Suche in einem Blog nicht so praktisch sind, aber es gibt ja die Volltextsuche und ich zähle alle Titel hier im Text auf. Als da wären:

  • Marchenkos Kinder
  • In die Dunkelheit
  • In das Licht
  • Runaway
  • Evolution
  • Olom
  • Erdkurs

Über die Proxima-Trilogie, quasi das Prequel zu dieser Serie, habe ich bereits berichtet. Sie erzählt, wie zwei Menschen, Adam und Eva, als genetischer Code auf eine interstellare Reise ins Proxima-Centauri-System geschickt werden. Marchenko, die in einem früheren Abenteuer des Autoren nach einem Unfall aus einem menschlichen Bewusstsein entstandene KI, zieht sie dabei in dem sich erst auf der Reise von einer Mikrosonde zum ausgewachsenen Raumschiff entwickelnden Gefährt auf und ist deshalb de facto ihr Vater. Sie erleben Allerlei in fremdartigen Ökosystemen und treffen schließlich auf eine intelligente Spezies, die sich aus biologischen Gründen immer auf der Suche nach einer neuen Heimatwelt befindet. Damit ist die Trilogie eigentlich auserzählt, Adam und Eva sind gestrandet in einem anderen Sonnensystem. 

Und genau hier setzt die inzwischen siebenhändige Reihe der „Proxima-Logbücher ein:

Da Adam, Eva und Marchenko den Verdacht hegen, dass sie nicht den einzigen Versuch darstellen, ferne Sonnensysteme mit Menschen zu bevölkern, schließen sie sich den Vertretern dieser fremdartigen Spezies, den Großnopfen, an. So bereisen sie mit raffinierter und ausgeklügelter Technik weitere Sonnensysteme und lernen neue Lebensformen kennen. Schließlich entscheiden sich die Großnopfe, mit Adam und Eva das Sonnensystem der Erde zu besuchen, wo sie schließlich, über 200 Jahre nach ihrer Abreise, ankommen. Biologisch betrachtet sind Adam und Eva trotzdem noch relativ junge Leute, aber die meiste Zeit haben sie ja in den Tiefschlafkammern des Schiffs ihrer Freunde verbracht. 

Der Autor hat es geschafft, ein komplexes Sciencefiction-Universum zu schaffen, dass sich trotz gigantischer zurückgelegter Entfernungen und riesiger Zeitspannen immer noch realistisch und glaubwürdig anfühlt. Und genau das macht den Reiz seiner Bücher aus: Im Prinzip sind die benötigten Techniken heute schon zumindest erdacht, was er schildert, könnte in naher Zukunft so oder so ähnlich passieren. Und bei jeder neuen beschriebenen Welt durchdenkt er die physikalischen Parameter sorgfältig, malt sich die Konsequenzen für eventuelle biologische Lebensformen aus und baut darauf seine phantastische Erzählungen auf. Dass er am Ende des siebten Bandes einen gigantischen Cliffhanger einbaut, lässt mich auf eine Fortsetzung hoffen.

Alle verfügbaren Daumen nach oben (bei den Großnopfen sind das wenigstens vier) mindestens drölf Sterne und eine absolute Leseempfehlung für alle Freunde gut durchdachter Sciencefiction. 





































Dienstag, 9. August 2022

Ingo Arndt (Fotos) Veronika Straaß, Claus-Peter Lieckfeld (Texte): Überflieger

Die vier Leben der Schmetterlinge

Schmetterlinge haben tatsächlich vier Leben: 

  • Ei
  • Raupe 
  • Puppe
  • Imago

Jedem dieser Leben widmen die Autoren ein Kapitel. Dass das Buch noch ein fünftes Kapitel beinhaltet, ist dem Menschen geschuldet. Auch das Insektensterben und damit das Verschwinden der zweitgrößten Insektengruppe nach den Käfern wird thematisiert.

Ich sage es mal so: Die Bilder des renommierten Naturfotografen Arndt sind technisch brillant, von unvergleichlicher Schönheit, atemberaubend, verblüffend und ästhetisch über jeden Zweifel erhaben. Ich bilde mir ein, das beurteilen zu können, denn ich versuche mich selber seit mehr als dreißig Jahren an der Natur- und Makrofotografie. Die Texte der Biologin und Journalistin Straaß und des Autoren Lieckfeld sind fachlich überaus fundiert, informativ und außerdem witzig geschrieben. Auch das glaube ich beurteilen zu können, denn ich habe selber Biologie studiert.

Das Buch ist von der ersten bis zu letzten Seite ein Genuss. Absolute Leseempfehlung: Unbedingt, sofort und mit alles und viel scharf! 

Sonntag, 7. August 2022

Franitza, M., Götz, B. et al.: Das 1 x 1 für Gespannfahrer

Grundlagenwissen über Krafträder mit Beiwagen

Logisch strukturiert führt dieses Buch in die Grundlagen des Gespannfahrens ein: Geschichte, Technik, theoretische Grundlagen, Praxistipps für das Fahren eines Gespanns, die Auswahl eines passenden Gefährts und Verwendungszwecks. Eigentlich lässt dieses Buch keine Fragen offen.

Eigentlich.

Leider erliegen die hochkompetenten Autoren der Versuchung, ihr geballtes Wissen dem Leser ungefiltert und in keiner Form didaktifiziert zu präsentieren. Das Buch vermittelt tatsächlich viele Grundlagen, es setzt aber auch einige davon voraus. Insofern ist der Titel irreführend und weckt falsche Erwartungen. Das Buch ist kein Lehrbuch für Anfänger. Das Gegenteil ist der Fall: Gerade im Kapitel "Gespanntechnik" fliegen einem die Fachbegriffe ohne (oder ohne verständliche) Erklärung nur so um die Ohren. Wer also mit Wörtern wie "Achsschenkellenkung", "Nachlauf", "Langschwinge" oder "zweiarmige Schubschwinge" nichts anfangen kann, der versteht beim Lesen nur Bahnhof. Ein gutes Lehrbuch zeichnet sich gerade NICHT dadurch aus, dass man als Fachmann völlig ungefiltert vom Leder zieht. Ein gutes Lehrbuch holt den Leser da ab, wo er steht. Wenn im Titel eines Lehrbuches also das Wort "Grundlagenwissen" steht, erwarte ich, dass genau dieses Wissen vermittelt wird, nicht, dass es vorausgesetzt wird.

Fachlich sicher (soweit ich das überhaupt beurteilen kann) allerhöchstes Niveau, methodisch und didaktisch jedoch eher so "mittel". Man stelle sich einen Kochkurs "Grundlagen der Saucenküche" vor, in dem Grundsaucen wie die Hollandaise oder die Bernaise nicht erklärt sondern vom Teilnehmer unangekündigt erwartet werden. Oder ein Tanzkurs "Standardtänze", in dem der Tanzlehrer voraussetzt, dass die Tanzschüler die Grundschritte des Wiener Walzer und des Cha-Cha-Cha bereits beherrschen. Man würde sein Geld zurück verlangen!

Für gelernte KFZ-Mechaniker sicher ein Gewinn, für Anfänger jedoch nicht empfehlenswert.

Mittwoch, 27. Juli 2022

Flix: Das Humboldt-Tier

Ein Marsipulami-Abenteuer

Das Marsipulami in Berlin? Das soll Felix Görman erst einmal einer Nachmachen. Dazu noch im Berlin der 30er Jahre! Wirtschaftskrise, Armut und die NSDAP verbreiten einen fauligen, braunen Gestank. Wie passt das stets fröhliche, intelligente und überaus wehrhafte Marsipulami in ein solches Szenario? Das solltet ihr selbst herausbekommen, denn bei Comicbüchern, die man in weniger als einer halben Stunde wegknabbert, verrate ich nichts von der Geschichte.

Ein bezauberndes Werk, brillant und detailverliebt ins Bild gesetzt durch Flix. Es gibt viel zu entdecken, genau so, wie es sich für einen schönen Comic gehört: Anspielungen auf Filme und andere Comics, kleine Hintergrundgeschichten und überhaupt: Ein rundum gelungenes Werk! Auch dem Verlag gebührt Dank. Anders als beim letzten hier besprochenen Werk des Künstlers stimmt bei der Druckqualität und dem Format des Buchs hier wirklich alles. Ein wunderschönes Buch!

Ganz große Klasse! Ich verneige mich knietief.

Lesen, und zwar unbedingt und sofort! 

Freitag, 22. Juli 2022

Brandon Q. Morris: Das Pluto-Debakel

Hard Science Fiction

Nick Abrahams ist Astronaut. Für den russischen RB-Konzern hat er unter Anderem eine mehrjährige Reise ins äußere Sonnensystem unternommen und sich von dem millionenschweren Gehalt einen Traum erfüllt: Er besitzt jetzt ein Weingut. Doch leider läuft das weniger gut als gedacht. Inzwischen ist Nick pleite. Als sein ehemaliger Arbeitgeber wieder an ihn herantritt sieht er die Gelegenheit, sich finanziell zu konsolidieren: Es wird ein Pilot für eine Rettungsmission gesucht. Zwei Forscher des Konzerns sind auf Pluto unter rätselhaften Umständen verunglückt. Nick soll diese Umstände aufklären und ggf. den Forschern helfen. Achteinhalb Millionen Dollar wird ihm das einbringen, aber es kostet ihn auch acht Jahre seines Lebens. Acht Jahre, die er von seiner Frau getrennt verbringen muss, acht Jahre, in denen er seine kleine Tochter nicht beim Aufwachsen begleiten kann. Er fürchtet um den Zusammenhalt seiner Familie. 

Dem Autor gelingt es, ein in wissenschaftlich-technischer Hinsicht absolut glaubwürdiges Szenario aufzubauen. Zusätzlich erzeugt er einen Spannungsbogen, der einen die Nägel bis zu den Schultern abkauen lässt. Wer Science-Fiction mag (und nicht Space-Opera), der kommt hier voll auf seine Kosten. 

Lesen, und zwar unbedingt und sofort.

Samstag, 16. Juli 2022

Chris Hadfield: Die Apollo-Morde

Der kanadische Astronaut und ehemalige Kommandeur der ISS ist ganz offensichtlich ein Multitalent: 

Der Mann kann Flugzeuge steuern. 

Er kann Wissenschaftskommunikation.

Er ist ein sympathischer Teamplayer, Sänger, Gitarrist und, falls ich es noch nicht erwähnt haben sollte, ein hervorragender Raumschiffkommandant.

Dass er prinzipiell schreiben kann, hat er ja bereits bewiesen, aber er kann auch Thriller. 

Apollo 18 war als Mission bereits geplant, wurde dann aber im Herbst 1970 abgesagt. In der Realität.

Chris Hadfield erfindet mit unfassbarer Detailversessenheit ein Szenario, in dem die Mission tatsächlich durchgeführt wurde, und zwar auch aus militärischen Gründen. Der Kalte Krieg war schließlich auf seinem Höhepunkt, und in diesem Roman lässt der Autor diesen noch einmal aufleben. Das führt zu einem Plot, der durchaus realistisch und doch frei erfunden ist. Zahlreiche historische Persönlichkeiten geben sich die Klinke in die Hand, und das Buch ist unglaublich spannend bis zur letzten Seite. Hadfield schreibt Thriller, als hätte er sein Leben lang nichts anderes gemacht.

Lesen, und zwar unbedingt, sofort, augenblicklich und mit Alles und viel scharf!

Und noch etwas:

Samstag, 2. Juli 2022

Chris Hadfield: Anleitung zur Schwerelosigkeit

Was wir im All fürs Leben lernen können

Kennen Sie Chris Hadfield? Das sollten Sie aber. Der hat vor einigen Jahren mit der Neuaufnahme eines alten David-Bowie-Songs einen Millionenhit auf YouTube gelandet. Dieses Video wurde inzwischen 51 Millionen mal angesehen, und hat mich und Andere zutiefst berührt. Er singt darauf „Space Oddity“, eine kleine Ballade über das Leben und Sterben eines Astronauten. Das wäre alles nicht weiter bemerkenswert, wenn Chris Hadfield nicht selber Astronaut gewesen wäre. Er hat diesen Song und das auf YouTube geteilte Video auf der internationalen Raumstation ISS aufgenommen, und die Zuschauer genießen während des Zuhörers und Zusehens Ausblicke, die man sich beim Hören des Originals allenfalls vorgestellt hat.

In seinem Buch schildert er, wie das so ist, als Astronaut. Und wie es dazu kam. Also im Prinzip: Kleiner Junge aus Kanada wünscht sich, in den Weltraum zu fliegen, wird deshalb in der Schule und beim Sport fleißig und gewissenhaft, macht den Pilotenschein, wird schließlich Testpilot und dann Astronaut.

So weit, so unspektakulär. Viel spannender finde ich die Teile, auf den sich die Unter-Überschrift („Was wir im All fürs Leben lernen können“) bezieht. Das hätte ich so nicht gedacht, und so mancher Führungskraft wünscht man dieses Buch unter das Kopfkissen.

Ein tolles Buch. Lesen, und zwar unbedingt und sofort.

Ach ja. Fast hätte ich das vergessen:


Sonntag, 19. Juni 2022

Heribert Schwan, Tilman Jens: Vermächtnis

Die Kohl-Protokolle

Wir besprechen hier ein Buch, welches ich gleich zwei mal kaufen musste, bevor ich es vollständig lesen konnte. Es enthält nämlich zahlreiche Zitate, die aus über 600 Stunden Tonbandaufnahmen entnommen wurden, die in den Privaträumen des Altkanzlers bei Vorgesprächen zur Biographie des Staatsmanns mit seinem Ghostwriter entstanden sind. Die wörtliche Verwendung dieser Gespräche sollte, so war es vertraglich festgelegt und so ist es üblich, zunächst von Kohl autorisiert werden. Schwan entschloss sich jedoch, den Kohl-Protokollen ein eigenes Buch zu widmen und dabei die Zitate unabhängig von einer Autorisierung durch den Zitierten  zu verwenden. Er begründete das mit der zeitgeschichtlichen Bedeutung des Mannes, der über mehr als vier Legislaturperioden unser Land regiert hat. Ob man diesen Vertrags- und Vertrauensbruch gut findet, soll jeder für sich beurteilen. Und jetzt kommen wir zu dem Grund, warum ich das Werk zwei mal kaufen musste: In der zuerst erworbenen Ebook-Version waren die meisten wörtlichen Zitate unkenntlich gemacht worden. Nach der Erstveröffentlichung gab es einen längeren Rechtsstreit zwischen Kohl (bzw. seinen Erben) und den Autoren. Kurz und knapp: Die Zitate mussten geschwärzt werden. Nicht untersagt wurde jedoch der Verkauf und Vertrieb bereits ausgelieferter Exemplare. 

Da sich der kleine Adolf natürlich nicht vorschreiben lässt, ob er ein Buch in der zensierten oder in der unzensierten Version liest, habe ich mir aus diesen Beständen noch ein gedrucktes Exemplar der Erstauflage gesichert. Das Internet macht es möglich, und auf die paar Kröten, den Bimbes sozusagen, kommt es mir nicht an. Und damit haben wir dieses wundervolle pälzische Wort auch abgefrühstückt, das es dank Helmut Kohl sogar bis in den Duden geschafft hat.

Ich halte das unzensierte Werk für ein bedeutendes zeitgeschichtliches Dokument. Es dient nicht dazu, den Altkanzler lächerlich zu machen oder seinen Ruf zu beschmutzen. Das Gegenteil ist der Fall: Es zeichnet das Bild eines klugen und gebildeten Mannes. Mit Ecken und Kanten zwar, aber im Großen und Ganzen ein Staatsmann mit Weitsicht und der Fähigkeit, auf der persönlichen Beziehungsebene auch mit ideologischen Gegnern viel zu erreichen. Wir hätten es schlechter treffen können.

Dringende Empfehlung meinerseits: Lesen, und zwar die Version ohne Schwärzungen. 

Montag, 13. Juni 2022

Michael Geiger (Hrsg.): Haardt, Weinstraße und Queichtal

Ein Geo-Führer

Dieses Büchlein befindet sich schon lange in meinem Besitz, aber erst heute komme ich dazu, es zu besprechen: Systematisch arbeiten die überaus kompetenten Autoren Landschaft, Gesteinsuntergrund, Relief, Boden, Wetter und Klima, Gewässer sowie Flora und Fauna ab. „Abarbeiten“! Das klingt so negativ! In Wirklichkeit ist es für einen geographisch oder biologisch interessierten Menschen eine Lust, dieses Buch zu lesen. So spannend kann Wissenschaft sein! Endlich halte ich hier eine geowissenschaftliches Kompendium meiner neuen Heimat in den Händen!

Im Grunde genommen werden hier fast alle Inhalte der physischen Geographie im Leistungskurs Erdkunde der 11. Klasse am Beispiel der wunderschönen Weinstraße behandelt. Das bringt mich auf eine Idee: Vielleicht kann ich dem herausgebenden Verein einen Klassensatz dieses ausgezeichneten Buches zu günstigen Konditionen für meine Schule abschwatzen. Ist ja wohl auch in deren Interesse, dass die Inhalte verbreitet werden. 

Bis dahin: Alle verfügbaren Daumen nach oben! Kaufen, lesen, genießen! Und zwar sofort! 

Mittwoch, 8. Juni 2022

Paul Habermehl: Die obere Hauptstraße

Von der Vorstadt Klein-Ägypten zur Flaniermeile

Ein Stück Neustadter Stadtgeschichte

1464-2014

Ich kann es selber nicht glauben, was ich aus meinem Aufräumstapel an Schätzen zu Tage fördere - dieses Buch war sogar noch original in Folie eingeschweißt.

Mein Geographenherz lacht: Herr Habermehl hat sich hier einen winzigen Teil der Innenstadt vorgenommen und am Beispiel ihrer Bausubstanz einen kleinen historischen Abriss verfasst. Akribisch werden für alle Grundstücke die Bebauung in der Gegenwart bis in die belegbare Vergangenheit erfasst und beschrieben, Phasen der Stadtentwicklung und -sanierung nacherzählt und so Stadtgeschichte begreifbar gemacht. Viele historische Abbildungen, Pläne und Fotos runden dieses äußerst gelungene Werk ab.

Sehr zu empfehlen! Lesen, und zwar unbedingt und sofort!


Montag, 6. Juni 2022

Matthias Wittber: Vergessene Pfade Pfalz

35 außergewöhnliche Touren abseits des Trubels

Auch dieses Buch habe ich beim Aufräumen wiederentdeckt- sollte man öfter machen, dieses Aufräumen. In kurzen, präzisen Beschreibungen erklärt der Autor hier ungewöhnliche Wanderstrecken auf wenig frequentierten Wegen. Dabei werden sorgfältig recherchierte Hinweise auf Besonderheiten der Strecken eingestreut und in kleinen, unterhaltsamen Aufsätzen der kulturhistorische Hintergrund der Wanderziele erläutert. Sprachlich hebt das Buch sich eindeutig positiv vom Einerlei der Wanderführer und Tourenempfehlungen ab: Die Sätze sind stilistisch geschliffen und enthalten erfrischend viele der von mir so geliebten altmodischen Wörter und Formulierungen. Toll! So etwas lese ich gerne. Soweit ich das beurteilen kann - nicht wenige der Örtlichkeiten sind mir persönlich bekannt - handelt es sich durch die Bank um lohnende Ausflugsziele. Die Bebilderung des Führers ist reichlich und gut ausgewählt, Karten mit eingezeichneten Wanderrouten gibt es auch.

Sehr zu empfehlen!

Ein Wort an den Verlag:

Ich bin mir sicher, dass sich der Autor mit dem Erstellen der GPS-Daten große Mühe gemacht hat. Man schreibt nicht einen so detaillierten Reiseführer, um dann bei den GPS-Daten zu schlampen. Dass man diese Daten nur erhält, wenn man händisch eine Internetadresse eingibt, dann eine 13-Stellige ISBN abtippt um sodann einen ZIP-Container mittels eines noch im Buch zu findenden Passwortes zu entschlüsseln, ist für sich genommen schon eine Zumutung. Das erinnert einen an die historischen Anfänge des Internet im 20 Jahrhundert. Würde dieses Verfahren funktionieren, könnte man das aber noch hinnehmen. Aber, mit Verlaub gesagt: Es funktioniert nicht! Das Buch ist 2019 erschienen, also vor drei Jahren. Da sollten die Daten eigentlich noch verfügbar sein und die Suche danach auf der Verlagswebseite nicht ins Leere laufen. Bitte nachbessern!

Samstag, 4. Juni 2022

Rolf Übel, Oliver Röller (Hrsg.): Der Westwall in der Südpfalz


In der Südpfalz findet man, wenn man denn etwas sucht, ein ganz besonderes Zeugnis deutscher Geschichte: Die Überreste der Festungs- und Verteidigungsanlagen aus dem zweiten Weltkrieg - den Westwall. Anders als die Maginot-Linie auf der französischen Seite der zum Glück kaum noch existierenden Grenze ist der Westwall jedoch überwiegend nur noch in Ruinen erhalten. Warum das so ist, erfährt man in diesem Buch. Aber auch andere Aspekte der Befestigungslinie werden aufgegriffen und wissenschaftlich untersucht: Militär- und Sozialgeschichte der Anlage, denkmalpflegerische Aspekte oder die weithin unterschätzte Tatsache, dass sich die verlassenen Anlagen zu durchaus interessanten Lebens- und Rückzugsräumen für die heimische Flora und Fauna entwickelt haben. Dieses Buch erhebt akademischen Anspruch, es ist also keine leichte Kost. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sich in meinem Bekanntenkreis genügend interessierte Personen finden.

Lesen!

Donnerstag, 2. Juni 2022

Axel Rehe: Entlang des offenen Stadtbachs

durch das historische Neustadt

In meinem Bücherschrank gibt es eine Abteilung „Pfalzliteratur“. Sie reicht inzwischen vom Boden bis zur Decke. Ein nicht unbeträchtlicher Teil dieser Abteilung wird ausgefüllt von mehreren Fächern mit dem Namen „Heimatkunde im engeren Sinn“. Jetzt werde ich ein neues Fach eröffnen: „Zuhause und Nachbarschaft“. 

Alex Rehe bewegt sich in diesem 2019 erschienen Buch gedanklich entlang des inzwischen im Untergrund verschwundenen Stadtbachs, der einst am Casimirianum vom Speyerbach abgezweigt wurde und über den Marktplatz und am Kriegerdenkmal vorbei bis zur Friedrichstraße reichte. Akribisch und mit wissenschaftlich anmutender Präzision wird für jedes einzelne Grundstück entlang dieser Achse die Geschichte der Bebauung und ihrer Nutzung bis zum heutigen Zustand nachgezeichnet und dargestellt. Dass Herr Rehe dafür zahlreiche Bilder benutzt ist für Kenner des Autoren beinahe selbstverständlich. Unterstützt wurde er dabei unter Anderem von Rolf Schädler mit dem umfangreichen Stadtarchiv. 

„So etwas liest doch keiner!“ werden Sie vielleicht jetzt sagen. „Doch! Ich lese so etwas.“ Muss ich Ihnen dann antworten. Und ich empfehle es jedem Heimatinteressierten in Neustadt. Und davon gibt es ziemlich viele. Zu Glück!

Lesen! Und zwar unbedingt und sofort!

Dienstag, 31. Mai 2022

Beate Steigner-Kukatzki: Neustadt an der Weinstraße

in der Nachkriegszeit

Die 50er Jahre hatten einen ganz besonderen Charme: Die Kriegstrümmer waren noch nicht überall weggeräumt, aber man war wieder wer! Es gab Konserven mit exotischem Obst wie Mandarinenfilets oder Ananas, gesüßte Dosenmilch und Mayonnaise aus der Tube. Die Tische waren endlich wieder reich gedeckt und es durfte auch wieder gefeiert werden. Wein war noch vorwiegend Masse statt Klasse, und der bekannte Neustadter Fischhändler Chevalier verkaufte als besondere Spezialität gewässerten Stockfisch. Viele Impressionen aus dieser Zeit hat Frau Steigner-Kukatzki in diesem Buch zusammengestellt. Teils sehr persönliche Erinnerungen, teils echte Zeit- und Sittengemälde der 50er. Viele Archive wurden hierfür geplündert, besonders wohl die von Frau Poh und Herrn Gaß, zwei in Neustadt allgemein bekannten Privatarchivaren.

Ein wunderschönes Buch, nicht nur für den heimatkundlich Interessierten Neustadter. Lesen und schauen!

Freitag, 27. Mai 2022

Yannick Scherthan, Christian Karl: Sagenhafte Pfalz

Eine Reise zu mythischen Orten

Boah! Ich war ja immer der Meinung, dass ich ganz ordentlich fotografieren kann. Landschaft, Bienchen und Blümchen, Leute - kann ich. Dachte ich. 

Mit diesem Werk des Landschaftsfotografen Yannick Scherthan in der Hand weiß ich jetzt, dass ich es in der Fotografie nie zu mehr gebracht habe als zu einem elenden Knipser.  Herr Scherthan zeigt mir, dass zum Erstellen guter Landschaftsaufnahmen wesentlich mehr notwendig ist als ein Stativ und Kenntnis von Belichtungszeit und Blende. In diesem Buch zeigen sich intime Ortskenntnisse und Arbeit. Sehr, sehr viel Arbeit, ganz offensichtlich über mehrere Jahre. Der Mann kennt sich aus in der Pfalz und er liebt seine Heimat. Das merkt man bei jedem einzelnen Bild. Übrigens auch bei den Texten von Christian Karl. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, in kurzen und geschliffenen Aufsätzen den kulturgeschichtlichen Hintergrund dieser wunderschönen Landschaft zu erklären. Vermutlich blutete dem Fotografen beim Anblick der fertigen Buches jedoch trotzdem das Herz, weil nicht jede einzelne seiner fantastischen Aufnahmen vom Layouter mit einer Doppelseite gewürdigt wurde. 

Dieser Fotoband ist zum Heulen schön. Und nein: Das ist nicht übertrieben!

Kaufen, lesen, schmökern, genießen! Und zwar sofort. Das ist ein Befehl!

Donnerstag, 26. Mai 2022

Daniel Robbel, Dirk Unschuld: 111 Orte im Ahrtal die man gesehen haben muss

Dass die beiden Autoren sich im Ahrtal gut auskennen, das kann ich bezeugen, zumindest für die beschriebenen Orte die mir persönlich bekannt sind. Und das sind nicht wenige, denn meine Wurzeln sind im Kies der Ahrauen gewachsen. Seit nunmehr 23 Jahren im pfälzischen Exil lebend erinnere ich mich noch sehr gut an meine erste Heimat, das Ahrtal. Das ist wirklich außergewöhnlich schön, und wird nach dem Wiederaufbau ganz sicher noch schöner werden. Es lohnt sich, dorthin Ausflüge und Urlaubsreisen zu unternehmen. Auch jetzt schon, knapp ein Jahr nach der verheerenden Katastrophe. Meine Bitte: Reisen Sie ins Ahrtal. Machen Sie dort Urlaub oder verbringen Sie ein Wochenende dort. Die Menschen dort leben auch vom Tourismus, die dürfen wir jetzt nicht im Stich lassen. Und vielleicht treffen wir uns ja dort.

Ein wunderschönes Lesebuch, ein Ideengeber für Ausflüge und für mich ein ganz großes Stück Heimatkunde.

Lesen, und zwar unbedingt und sofort!

Dienstag, 24. Mai 2022

Rolf Schlicher: Potzblitz - Die Pfalz

Dies ist nicht das erste Buch von Herrn Schlicher, das ich mit großem Vergnügen lese, und es ist hoffentlich auch nicht das letzte. Hier schreibt ein Profi: Auf über 200 Seiten gibt es lesenswerte Geschichten, Tourenvorschläge und Gastro-Tipps vom bewährten Gespann Schlicher (Text) und Himmer (Fotos). Ein rundum gelungenes Lesebuch, das man nicht mehr aus der Hand legen möchte,


Lesen! Und zwar unbedingt und sofort!

Sonntag, 22. Mai 2022

DuMont Bildatlas - Pfalz

Fünf Jahre sind seit der letzten dieser Region gewidmeten Ausgabe aus der Reihe der Bildatlanten des DuMont-Verlags vergangen. Vieles hat sich in dieser Zeit geändert, Manches ist neu dazu gekommen und Einiges auch verschwunden. Für den Verlag Grund genug, eine neue Auflage zu wagen. Wer aber jetzt glaubt, dass er hier lediglich eine um ein paar geänderte Adressen oder Fahrpläne aktualisierte Neuauflage des alten Heftes erhält, der wird angenehm überrascht sein: Das Ding ist, anders als sein Vorgänger, eine völlige Neukonzeption. Neue Texte, neue Bilder, neue Ideen. Als Reiseführer versteht sich der Bildatlas vermutlich nicht. Ich sehe darin eher die Abendlektüre in der touristischen Unterkunft. So kann man nach Lust und Laune planen, was man am nächsten Tag besuchen geht oder fährt. Da stören auch gelegentliche Überschneidungen und Dopplungen nicht, denn dieses Heft ist wohl eher zum Schmökern gedacht denn zum einmaligen Durchlesen. Die wunderschönen Bilder tun ein Übriges: Sehr zu empfehlen und zwar ohne „Wenn“ und „Aber“!

Samstag, 21. Mai 2022

Philipp Möller: isch geh Schulhof

Unerhörtes aus dem Alltag eines Grundschullehrers

Dieses Buch liegt schon seit einiger Zeit auf meinem „noch zu lesen“ Stapel in der Küche herum. Neulich ist es mir beim Aufräumen in die Hände gefallen. Warum hatte ich das denn nochmal gekauft? Von Lästerbüchern über das deutsche Schulsystem, insbesondere über den deutschen Lehrkörper, hatte ich nämlich eigentlich die Nase voll. Erst neulich habe ich eines in die Ecke gepfeffert und nicht zu Ende gelesen, in dem eine ehemalige Aushilfslehrerin sich herablassend über meine KollegInnen und mich geäußert hat.

Ach so: Philipp Möller! Der sympathische Autor ist mir bereits aus einem anderen Zusammenhang bestens bekannt. Der arbeitet doch für die von mir so geschätzte Giordano-Bruno-Stiftung für eine religionsfreie Gesellschaft und hat auch schon zu diesem Thema Bücher veröffentlicht. Der hat mal als Lehrer gearbeitet? Kann man also mal reinschauen.

Was sich zunächst anliest wie eine stark verdichtete Sammlung von Anekdoten aus dem Umfeld des deutschen Hartz-IV-Adels und bildungsferner Immigrantenfamilien, lässt einem noch innerhalb des ersten Kapitels das Lachen im Hals stecken bleiben. Auch die zunächst karikaturenhaft wirkenden Lehrerpersönlichkeiten werde bald genauer dargestellt und entpuppen sich als entweder hoffnungslos überarbeitete bzw. überforderte Menschen im Kampf gegen Windmühlenflügel, oder es handelt sich um einige wenige hochmotivierte Pädagogen, die für das was sie leisten eigentlich viel zu schlecht bezahlt werden. Möller erlebte am eigenen Leib den aufreibenden Alltag und konnte bereits am Ende seiner zwei Jahre als Lehrer nachvollziehen, was einen in diesem Beruf zermürben kann. Krank ist vor Allem das hoffnungslos veraltete Schulsystem, das den veränderten Anforderungen und vor Allem den Kindern nicht mehr gerecht werden kann, und krank werden so auch die Lehrerinnen und Lehrer.

Ein sehr gutes Buch! Lesen, und zwar unbedingt und sofort.

Montag, 9. Mai 2022

Jutta Ditfurth: Ulrike Meinhof

Die Biografie

Über dieses 2009 erschienene Buch habe ich irgendwo gelesen. Anders als es bei älterem Lesestoff sonst der Fall ist, habe ich es nicht gebraucht besorgt, sondern von meinem Bücherdealer ordentlich beim Verlag bestellen lassen. Ich glaubte, dass ich der Autorin noch etwas schulde. Am Anfang der 80er bin ich oft per Anhalter gefahren. Dabei hat mich in der Nähe von Bonn einmal ein Pärchen mitgenommen, in dessen weiblichem Teil ich Frau Ditfurth zu erkennen glaubte. Ihren Vater Hoimar von Ditfurth bewunderte ich zu diesem Zeitpunkt wegen seiner wegweisenden Wissenschaftssendung „Querschnitte“ schon seit einem halben Jahrzehnt, sie war mir als Gründungsmitglied dieser neuen Partei „Die Grünen“ inzwischen aber ebenfalls vertraut aus den Medien. Naturgemäß sieht man als Tramper die Fahrerin und den Beifahrer nur von hinten, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie es war. Sie meckerte noch ein Wenig, weil wir an einer denkbar ungünstigen Stelle den Daumen rausgehalten hatten, aber sie hat mich und meinen Freund mitgenommen und ordnungsgemäß an einer Bushaltestelle in der Nähe des Kanzleramts wieder rausgelassen. Wir waren quasi starr vor Ehrfurcht. Diese Schuld ist jetzt beglichen! So sieht’s aus, Frau Ditfurth.

Ich schweife schon wieder ab, es soll doch um dieses gute Buch gehen. An dessen Ende findet sich ein dicker Anhang mit dedizierten Quellennachweisen. Alle Aussagen in diesem Buch lassen sich belegen, so versichert die Autorin, auch wenn rund 1000 der verwendeten Quellen privat bleiben müssen und nicht im gedruckten Quellenverzeichnis zu finden sind. Es wundert mich nicht, dass hier das Ergebnis von sechs Jahren Recherchearbeit vor mir liegen. Das ist wichtig, denn die Autorin macht handfeste Aussagen nicht nur zu den objektiv dokumentierten Handlungen der Frau Meinhof, sie stellt auch gut begründbare Thesen zu ihrer Motivation auf. Es ist also ein Buch, welches nicht nur die Biografie der ehemaligen Top-Terroristin nachzeichnet, sondern auch erklärt wie es dazu kam. 

Und darum geht es. Das Buch soll nicht nur den Lebensweg von Frau Meinhof und die Ereignisse um die Studentenbewegung der späten 60er Jahre beschreiben, es soll auch erklären und deuten. So beginnt das Werk mit der Kindheit und den Ereignissen, die einen Menschen schon früh prägen und beeinflussen. Dadurch werden spätere Entscheidungen verständlicher, bestimmte Haltungen überhaupt erst plausibel. Die Kindheit in der Kriegs- und Nachkriegszeit, frühe Erfahrungen mit dem anderen und dem eigenen Geschlecht (bzw. die Unterdrückung dieser Erfahrungen) oder das Aufwachsen in einer Bundesrepublik, deren Repräsentanten teilweise noch das Blut aus der Nazidiktatur an den Händen klebte. Diese Liste der von der Autorin beleuchteten Einflussfaktoren ließe sich lange fortführen.

Wer immer schon einmal wissen wollte, warum eine junge, intelligente, gebildete, beruflich erfolgreiche und durchaus sympathische Frau zu einer der meist gesuchten und meist gejagten Personen der Zeitgeschichte werden konnte, zu einer Person, die schließlich von ihren Häschern systematisch zerbrochen und zerstört wurde: Mit dieser Biografie werden viele Rätsel gelöst und viele Fragen beantwortet. In sachlichem, fast dokumentarischen Stil schildert Frau Ditfurth das Leben und Sterben von Ulrike Meinhof und rührt trotz ihrer nüchternen Sprache immer wieder zu Tränen. 

Ein herausragendes Buch. Lesen, und zwar unbedingt und sofort!

Mittwoch, 20. April 2022

Michael Landgraf: Glücksorte an der Deutschen Weinstraße

Fahr hin & werd glücklich

„Wieder so ein Reiseführer!“ dachte ich. Als gelernter Geograph kaufe ich ja immer alles, was die Buchhandlungen über den Ort hergeben, in dem ich aktuell lebe. Und an der Weinstraße lebe ich seit fast 23 Jahren, heimatbezogene Literatur füllt bei mir inzwischen einen ganzen Bücherschrank - was will man mir da noch über Ausflugsziele beibringen? Seit ich in 1999 in Neustadt Quartier bezogen habe verbringe ich die Sommerferien konsequent als Heimschläfer, ich bilde mir also ein, dass ich so manch alteingesessenem Pfälzer noch sehenswerte Plätze zeigen kann, die er selber noch nie gesehen hat. 

Alla hopp! Ich habe das Buch vom Herrn Landgraf natürlich gekauft. Vom Sehen kennen wir uns aus den Straßen Neustadts, er macht hier historische Stadtführungen und ist mir deshalb schon öfter wegen seiner prächtigen Kostümierung aufgefallen. Er nickt mir immer freundlich zu. Ob er das tut, weil er mich aus irgendeinem Grund wiedererkennt, oder ob er einfach jeden grüßt, weil er irgendwann einmal Bürgermeister werden will, bleibt mir jedoch bis heute ein Rätsel. Gesprochen habe ich nie mit ihm. Trotzdem war ich neugierig. Allzuviele Neuigkeiten habe ich von dem Bändchen jedoch nicht erwartet, in dem auf 80 Doppelseiten ebensoviele Ausflugsziele beschrieben und mit meist selbst gemachten Fotos bebildert werden.

Wie man sich doch täuschen kann. Holla, die Waldfee! Der Mann kennt sich aber gut aus in der Pfalz! Als passionierter Radfahrer macht er wohl jeden Sommer das, was ich mit dem Motorrad tue, nämlich Urlaub in der Pfalz. Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegenteil. Selbst zu den Örtlichkeiten, die mir durch zahlreiche eigene Ausflüge wohl vertraut sind, konnte er mir noch Wissenswertes und und vor Allem Neues erzählen. Systematisch berücksichtigt er dabei auch die Bedürfnisse des fahrzeuglos Reisenden, indem er die Anbindung seiner Ziele an den ÖPNV beschreibt. Das finde ich sympathisch, wird es doch leider viel zu oft vergessen in der einschlägigen Literatur. 

Bleibt noch anzumerken, dass Herr Landgraf nicht nur einen sehr angenehmen Erzählstil pflegt, sondern dass er auch mit der Kamera leidlich umgehen kann. Auf einigen Bildern meine ich sogar die Verwendung eines Polfilters beobachtet zu haben, ein Accessoire, welches in Zeiten digitaler Bildbearbeitung leider auszusterben droht, zeugt es doch von bewusster und durchdachter Bildgestaltung bereits während der Aufnahme.

Dieses Buch könnte nicht mehr und nicht weniger werden als meine Checkliste für die Sommerferien, der Fahrplan für mein Sommerprojekt. Diese Tradition habe ich vor einigen Jahren einschlafen lassen und würde sie sehr gerne wiederbeleben. Vielleicht hilft mir dieses Buch dabei. 

Ich betrachte „Glücksorte an der Deutschen Weinstraße“ als echten Glückstreffer, hebe alle verfügbaren Daumen, vergebe drölfeinhalb Sterne und sage: Lesen, und zwar unbedingt und sofort!

Donnerstag, 14. April 2022

Flix: Faust

Der Tragödie erster Teil

Felix Görman, besser bekannt als Flix - hier war bereits öfter von seinen Werken die Rede - nahm sich vor bereits 13 Jahren dieses klassischen Stoffs an. Inzwischen wurde das äußerlich an ein Reclam-Heft erinnernde Büchlein bereits mindestens drölf mal neu aufgelegt. Zeit, es hier zu besprechen: 

Flix transplantiert den klassischen Stoff vom gebildeten, aber unattraktiven Nerd mit der Sinnkrise ins neuzeitliche Berlin. Gott ist jetzt eine hochmoderne Firma mit Abteilungen für jeden Geschmack, Mephisto eigentlich ein ganz netter Typ (als wäre er das nicht auch bei Goethe schon gewesen), Gretchen die Tochter einer türkischen Gemüsehändlerin und Faust, ähh... ein gebildeter, aber unattraktiver Nerd. 

Das funktioniert ganz wunderbar. Eine tolle Story - war es schon immer - spitzenmäßig und überaus phantasievoll in Szene gesetzt durch den zukünftigen Meister aller Klassen der deutschen Comicszene. Soviel zum Wirken des Autoren und Zeichners.

Das Druckbild sieht nicht so schön aus. Deshalb noch ein paar Worte an den Carlsen-Verlag:

Habt ihr Lack gesoffen?

Das Buch ist ganz offensichtlich großformatig konzipiert. Din A4! Das auf bessere Postkartengröße herunterzuskalieren funktioniert einfach nicht. In hochauflösendem Kunstdruck vielleicht, aber stattdessen bekommen wir das wunderschöne und phantasievolle Werk in einer Druckqualität, die einem die Augen bluten lässt: Buchstaben werden unleserlich, Konturen verschwimmen, Striche verlaufen wie auf einem nachträglich in Wasser getauchtem Aquarellgemälde. Stellenweise habe ich Seiten abfotografiert, um sie auf dem Computer vergrößert anzuschauen. Ich wollte mich einfach davon überzeugen, ob es vielleicht meine alten Augen waren, die mir einen Streich spielten. Spoileralarm: Es waren nicht meine Augen! Auch bei dem geringen Preis des Büchleins ist das nicht gerechtfertigt. Pfui, Carlsen-Verlag! So geht man nicht mit den Werken der einem anvertrauten Künstler um!

Was reg' ich mich auf? *Grummelbrummel*

Lesen! Und zwar unverzüglich!

Mittwoch, 13. April 2022

Rayk Anders: Der Barbar in uns muss Liebe finden

Warum unser Land verroht und wie wir uns dagegen wehren können

Was der in Berlin lebende Journalist hier vorlegt ist nicht mehr und nicht weniger als eine brillante Analyse dessen, was in diesem Land grundsätzlich schief läuft. Und ich rede jetzt nicht von aus Versehen falsch ausgestellten Parkknöllchen oder vom Lehrer übersehenen Fehlern in der Mathematik-Klassenarbeit. Ich rede von den grundsätzlichen, von den unser Land, seine Kultur und seine Existenz bedrohenden Entwicklungen. In wenigen, aufeinander aufbauenden Thesen legt er den Finger in die Wunden und stellt klar, was zu tun ist. Dabei schreibt er eloquent, ironisch bis zynisch, bissig, aber immer sachlich fundiert und mit transparenter Dokumentation der verwendeten Quellen.

Bleibt noch anzumerken, dass das Lesen der von mir so geliebten Fußnoten auf einem Ebook-Reader ziemlich mühsam ist. Hier sollten sich die Verlage endlich mal etwas einfallen lassen. Kann doch nicht so schwer sein, das Vor- und Zurückblättern in den html-Code eines elektronischen Buches zu implementieren. Auf Webseiten geht das schließlich auch.

Ein tolles Buch - sehr zu empfehlen. Lesen!

Freitag, 1. April 2022

Kurt Krömer: Du darfst nicht alles glauben, was du denkst

Meine Depression

Dass das Buch, welches mit seinem auf ein Heinz-Erhardt-Zitat anspielenden Titel so lustig daherkommt, alles Andere als lustig ist, ahnt man spätestens beim Untertitel. Alexander Bojcan, Krömers alter Ego, ist durch das finstere Tal der Depression gewandert, und in diesem Buch spricht er offen darüber. Er tut das nicht, um Aufmerksamkeit zu erregen oder um sich besserwisserisch als Ratgeber aufzuspielen. Er tut es, weil er sich mit dieser stark stigmatisierenden Krankheit nicht mehr verstecken will und weil er andere Erkrankte dazu ermutigen will, es ihm gleichzutun. Wozu soll das gut sein? Nun - nur wer sich wegen dieses Gebrechens nicht mehr verstecken muss, der hat den Mut sich auch dazu zu bekennen und sich behandeln zu lassen. Das Bundesgesundheitsministerium schreibt dazu: „16 bis 20 von 100 Menschen erkranken irgendwann in ihrem Leben mindestens einmal an einer Depression oder einer chronisch depressiven Verstimmung (Dysthymie).“ Man stelle sich bitte dieses Leid einmal vor! Und kaum einer der Betroffenen traut sich aus der Deckung oder weiß überhaupt davon, was ihm oder ihr fehlt. Wir wissen einfach zu wenig darüber und so bleiben viel zu viele Depressionen unbehandelt, so mancher an Depressionen leidende bleibt mit seinen zermürbenden Qualen alleine. Das muss anders werden. Und deshalb ist das ein sehr, sehr wichtiges Buch!

Lesen, und zwar unbedingt und sofort!