Samstag, 20. Februar 2010

Michail Krausnick: Beruf: Räuber

Wer arm war im Deutschland des beginnenden 19. Jahrhunderts, der hatte nichts zu lachen. Und arm waren damals viele. In dem von Kleinstaaterei und Kriegen geschwächten Land lebten ca. 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung auf der Straße. Als Tagelöhner, Hausierer, Bettler oder als Straßenräuber kamen sie mehr schlecht als recht über die Runden. So vegetierten auch der Mannefriederich und seine Freunde: Im Sommer zogen sie als Glücksspieler, Schausteller, Bettler und Wanderarbeiter durch die Lande, im Winter aber, wenn die Nächte lang und Dunkel waren, machten Sie als Hölzerlipsbande Spessart und Odenwald unsicher. Im Mai 1811 überfielen sie an der Bergstraße eine Postkutsche, einer der Reisenden kam dabei zu Tode. Ein folgenschwerer Fehler: Die Bande wird gefasst, und nach und nach gehen den Behörden durch die Aussagen der Täter immer mehr Diebe und Räuber ins Netz. In Heidelberg werden die Mitglieder der Bande schließlich nach einem Schauprozess öffentlich hingerichtet.

Michael Krausnick erzählt in seinem Roman die letzten Monat der Hölzerlipsbande im Gefängnis. Er erzählt keine erfundene Geschichte, sondern rekonstruiert aus alten Gerichtsakten, aus den Aufzeichnungen des Stadtpfarrers, der die Bandenmitglieder in ihren letzten Monaten seelsorgerisch betreute und bis aufs Schafott begleitete und aus weiteren Quellen diesen außergewöhnlich gut dokumentierten Kriminalfall. Dabei zeichnet er ein beklemmendes Bild von der Armut und Not der Menschen im vorindustriellen Deutschland und vermittelt so, eingebunden in eine spannende Rahmenhandlung, seine profunden historischen Kenntnisse.

Unbedingt lesen!

Mittwoch, 17. Februar 2010

Heinrich Steinfest: Gewitter über Pluto

Lorenz Mohn möchte beruflich umsatteln. Nicht, dass er mit seinem Beruf nicht zufrieden wäre. Aber er findet, dass es mit Anfang vierzig an der Zeit ist, sich neu zu orientieren. Noch ist er den Anforderungen seiner Arbeit körperlich gewachsen, aber er möchte aufhören, bevor das Alter dies zwingend notwendig macht. So beschließt der gut aussehende Lorenz den Wechsel vom viel beschäftigten Pornodarsteller zum Besitzer eines Woll- und Handarbeitsgeschäftes.
Noch während er die alte Bäckerei, welche er zu diesem Zweck gemietet hat renoviert, übernachtet er in einem geheimnisvollen Hinterzimmer des Ladenlokals. Als er morgens aufwacht, findet er unter seinem Bett den ehemaligen Besitzer der Bäckerei vor - mit durchgeschnittener Kehle und völlig ausgeblutet.
Mit Stavros Stirling, dem Wiener Kriminalkommissar griechisch-britischer Abstammung, taucht dann ein alter Bekannter aus dem Heinrich-Steinfest-Universum in der Geschichte auf und übernimmt die Ermittlungen. Obwohl die Indizien zunächst gegen Lorenz sprechen, lernen die beiden Männer, einander zu vertrauen. Sie machen sich gemeinsam auf die Suche nach einem Archaeopteryx, dessen Rolle in diesem seltsamen Verwirrspiel noch zu klären ist.

Normalerweise mache im um Bücher, die mit rosafarbenen Buchstaben beschriftet sind und von deren Schutzumschlag mich ein niedliches, flauschiges Schaf anglotzt, einen Bogen. Und zwar einen großen! Aber wenn der Schutzumschlag schwarz ist, und außerdem noch die Worte "Heinrich Steinfest" darauf prangen, dann kann ich auch Ausnahmen machen. Die Romane des Herrn Steinfest ragen wegen der außergewöhnlich seltsamen Einfälle des Autors aus der Masse hervor wie eine Saturn V Rakete aus den Sümpfen Floridas. Schon seine Vorliebe für in irgendeiner Form gehandicapte Personen, aber auch seine bizarren, teilweise grotesken Ideen für die Handlung machen seine Bücher zum Genuss. Aus dem Kriminalroman wird im Verlauf der Handlung ohne jede Vorwarnung ein Science Fiction. Doch schon bald hüpfen einige Figuren aus der Romanhandlung auf die Metaebene und stellen die Frage in den Raum, ob sie nicht Figuren eines Romans seien oder einfach nur verrückt.

Ein tolles Buch, das ich jeden Freund schwarzen Humors und jedem Liebhaber verquaster Geschichten wärmstens empfehlen kann.

Lesen!