Freitag, 30. November 2012

Peter Wohlleben: Naturschutz ohne Natur

Der Naturschutz in Deutschland verdient nicht diesen Namen. Wer sich ernsthaft mit den ökologischen, evolutionären und auch mit den juristischen Implikationen des Themas auseinandersetzt, wird bald zu einer frustrierenden Erkenntnis kommen: Der so genannte Naturschutz in Deutschland dient allen möglichen Interessen, nur nicht der Natur. Er spielt der Agrarlobby in die Hände, den Jagd- und Fischereiverbänden sowie der Tourismusindustrie. Die Interessen der Natur werden dabei in geradezu zynischer Weise der Verkehrspolitik geopfert, wirtschaftlichen Abwägungen untergeordnet und auf dem Altar der Dummheit geschlachtet.

Peter Wohlleben kennt sich aus mit ökologischen Zusammenhängen. Auch im Naturschutzrecht ist er bewandert und kann einiges erzählen zum Thema Bewirtschaftung von Wäldern, denn er ist gelernter Förster und leidenschaftlicher Naturschützer. Trotz, oder vielleicht wegen seines souveränen Fachwissens bedient er sich einer auch für Laien verständlichen Sprache, argumentiert messerscharf und logisch.

Dem kann ich nichts hinzufügen. Vielen Dank für diese klaren Worte.

Unbedingt lesen, und zwar sofort!

Sonntag, 25. November 2012

Carsten Sebastian Henn: Die letzte Reifung


Professor Dr. Dr. Adalbert Bietigheim macht Urlaub. Zusammen mit seinem Foxterrier Benno von Saber erkundet er kulinarische Höhepunkte im schönen Burgund. Und weil er sich dabei viel Zeit lassen möchte, benutzt er natürlich das Fahrrad. Seine erstes Ziel ist die legendäre Käserei von Madame Poincaré. Die alte Dame stellt hier seit Jahrzehnten ihren berühmten Vacherin d'Epoigey her, und er möchte sie unbedingt persönlich kennen lernen. Als er endlich bei ihr ankommt findet er die Käserin tot vor, eines ihrer eigenen Käsemesser steckt in ihrem Rücken. Das sieht nicht nach Unfall oder Selbstmord aus. Trotzdem versucht der Bürgermeister der kleinen Gemeinde, den Fall zu vertuschen. Ein großes Käsefest steht vor der Tür, und er möchte die Touristen nicht verschrecken. Also ruft Bietigheim seinen Freund Pit zu Hilfe, und beginnt auf eigene Faust mit Ermittlungen. Das wird recht bald auch für ihn gefährlich.

In diesem ersten Teil der Reihe um den seltsamen Kulinaristik-Dozenten lernt man gleich mehrere neue Figuren im Krimi-Universum der Herrn Henn kennen und augenblicklich schätzen. Sie erinnerten mich an geliebte Charaktere des belgischen Comiczeichners Hergé. Die detektivischen Untersuchungen des Professors könnten wiederum aus der Feder von Agatha Christie höchstselbst stammen. Ein rundum gelungener Lesespaß, den ich uneingeschränkt empfehlen kann. Ich möchte aber vorschlagen, die Reihenfolge der Bücher einzuhalten. Ich selbst habe es nicht getan, und mich damit möglicherweise um den einen oder anderen Lacher gebracht. Aber glauben Sie mir: Es waren noch genug davon übrig.

Lesen, und zwar sofort!

Sonntag, 18. November 2012

Carsten Sebastian Henn: Der letzte Aufguss

Professor Dr. Dr. Adalbert Bietigheim, Inhaber des Lehrstuhls für Kulinaristik der Universität Hamburg, springt kurzfristig für einen verhinderten Kollegen in Cambridge ein. Genauer gesagt ist der Kollege nicht im herkömmlichen Sinn verhindert. Er ist tot. Er wurde ermordet und dann in einem mit weißem Darjeeling gefüllten Punting-Boot regelrecht eingelegt. Seinen Vorgänger hat man übrigen ein halbes Jahr zuvor auf die gleiche Art vom Leben zum Tod befördert. Bietigheim kann sich Ermittlungen in dieser Mordsache nicht verkneifen, denn der Schluss liegt nahe, dass er bald selbst ins Visier des Mörders gerät. Außer ihrer Inhaberschaft des Lehrstuhl hatten seine beiden toten Vorgänger nämlich so gut wie keine Gemeinsamkeiten. Gut, dass der exzentrische Akademiker einen Freund hat. Dieser ist ihm extra aus Hamburg nachgereist und hilft nicht nur bei den Ermittlungen, sondern leistet auch als Bodyguard gute Dienste. Und so beginnt die Mörderjagd.

Auch in diesem zweiten Teil der Serie um den skurrilen Kulinaristikprofessor Bietigheim und den eher bodenständigen Rockertaxifahrer Pit kommt das Zwerchfell nicht ungeschoren davon. Trotzdem handelt es sich bei diesem Roman um einen ausgewachsenen, geradezu klassisch aufgebauten Kriminalroman, der den Leser zum Mitknobeln anregt und der bis zur letzten Seite spannend ist.

Lesen! Und zwar sofort.

Sonntag, 4. November 2012

Akif Pirinçci: SLAM


"Im Jahre 2100 hat der Islam global gesiegt. Es gibt auf allen Kontinenten noch Widerstandsnester von Terroristen und Rebellen anderer Religionen. Aber ihr Ende ist nah und unaufhaltsam.
Im Jahre 2200 ist die ganze Welt lückenlos islamisiert, weil auch Angehöriger anderer Religionen und Ethnien die Liebe zum einzigen Propheten und zu Allah verinnerlicht haben. Allerdings hat man fast ein ganzes Jahrhundert verloren, weil innerreligiöse Kriege stattgefunden haben. Dies neigt sich nun dem Ende zu.
Im Jahre 2300 kommt es durch epochemachende technische Erfindungen zu einem bis jetzt nie da gewesenen Wohlstand. Vor allem in der Medizin sind atemberaubende Fortschritte zu verzeichnen. Auch findet der Durchbruch zur Herstellung künstlich hergestellter Nahrung statt, die aussieht und schmeckt wie echte. Die Weltbevölkerung schrumpft auf zwei Milliarden Bewohner. Tiere, auch Haustiere verschwinden nach und nach aus dem Blickfeld und dem Straßenbild. Die Menschen arbeiten eigentlich nur noch, weil es ihnen sonst langweilig ist. Das System HAVVA2 (Eva2) übernimmt die medizinische Versorgung der Menschen, die nun bei guter Gesundheit bis zu 200 Jahre alt werden können. Es ist ein global agierendes, eigenständig forschendes, mit fast uneingeschränkten Befugnissen ausgestattetes Programm, das Zugriff auch auf technische Bereiche und auf die Infrastruktur besitzt. HAVVA1 wurde übrigens nur für die Frauenmedizin ersonnen.
Im Jahre 2400 kennen die Menschen das Wort Gewalt oder gar Krieg nur von Hörensagen. Frieden und Wohlstand sind überall zu besichtigen, und viele fragen sich, weshalb es im Paradies eigentlich so anders sein sollte. Bis in der Mitte des Jahrhunderts zirka 5000 Menschen in einer Nacht durch ominöse Unfälle ums Leben kommen. Es handelt sich dabei ausschließlich um hohe Würdenträger, Politiker und Imame. Die Fälle werden nie aufgeklärt, es wächst Gras darüber.
Im Jahre 2500 hat der vorherrschende Islam mit den Erscheinungen, wie wir sie heute kennen, kaum mehr etwas zu tun. Er ist zu reiner Spiritualität transformiert, ähnelt eher dem Wohlfühl-Buddhismus unserer Tage, und wird in gigantischen Moscheen modernster Architektur als Event und Erweckungserlebnis abgefeiert. Vor allem ist er vollkommen friedlich. Mangels wirtschaftlicher Sorgen sind die Menschen ausschließlich mit der Religion beschäftigt, von der sie sich in der Tat zu göttlichen Spähren geleitet wähnen. Sogar der Name der ursprünglichen Religion hat sich gewandelt. Sie nennt sich inzwischen nicht Islam, sondern SLAM. So geht es die 200 Jahre weiter …


Und hier, im Jahre 2731 beginnt unsere Geschichte von Karim, unserem Romanhelden, der einem schier unvorstellbaren Geheimnis auf die Spur kommt …" (Akif Pirinçci)

Was sich wie der Prolog zu einem bizarren Science-Fiction-Roman liest ist genau das: der Prolog zu einem bizarren Science-Fiction-Roman. Geschaffen wird dieses Buch von einem Autorenkollektiv unter der Federführung von Akif Pirinçci, der das ganze Projekt ins Leben gerufen hat und über Facebook koordiniert. 

Und damit wären wir beim zweiten Teil von "bizarr": Wo gibt es denn sowas? Einer denkt sich eine Geschichte aus, und andere müssen sie für ihn schreiben. Na hier. Und allein die Entstehungsgeschichte liest sich, soweit man sie auf der Facebookseite des durch seine Katzenkrimis bekannt gewordenen Romanautors verfolgen kann, selbst schon spannend wie ein Krimi. Einerseits veröffentlicht er die Handlungsskizzen portionsweise, sodass man sich als Außenstehender jederzeit ein Bild vom aktuellen Stand der wachsenden Geschichte machen kann. Andererseits dokumentiert er auch den Entstehungsprozess der vielen Dinge, an die man als Leser zunächst nicht denkt, wenn man an das Werden eines Buches denkt: Das Finden eines aussagekräftigen Titels oder das mühevolle Lektorat, welches Pirinçci hier ebenso selbst übernimmt wie die Gestaltung eines ansprechenden Covers. Nicht zuletzt auch das Promoten eines Buches, welches als unabhängiges Projekt in Form eines eBooks über Amazon vertrieben werden soll, ist ein wichtiger Bestandteil der Arbeit, die sonst von den Verlagen übernommen wird. Und dazu möchte ich mit diesem Blogeintrag gerne beitragen.

Kauft, Leute! Kauft!

...sobald es fertig ist....

Weitere Informationen findet man auf dem Blog des Autors,
den aktuellen Stand der Dinge verfolgt man am besten auf der Facebookseite von Akif Pirinçci.

Samstag, 3. November 2012

Jürgen Mathäß: Pechstein

Johann Wergers ist aufgeregt: Die Rieslingtrauben für seinen Pechstein haben sich exzellent entwickelt. Mit mit diesen Trauben kann er einen Riesling keltern, mit denen er sein kleines Weingut an die Spitze der Pfälzer Weinbauern katapultiert, ganz nach oben auf die Bestenliste der Weinjournalisten. Doch kurz vor der Ernte macht sein junger Kellermeister eine furchtbare Entdeckung: Die Trauben wurden gestohlen. Nicht nur ein paar Kilos, von gierigen Wanderern entwendet, sondern zweieinhalb Tonnen, in einer mondhellen Nacht von Hand geschnitten und heimlich abtransportiert. Hier waren keine Mundräuber am Werk, hier will jemand selbst als Spitzenwinzer reüssieren - mit den Trauben von Wergers. Der Winzer tobt! Doch hat er nicht lange Zeit, sich über den Verlust des besten Teils seiner Ernte zu grämen. Einige Zeit später findet man ihn tot auf den Stufen eines Hauses in seinem Heimatdorf Forst. Dass die Bewohnerin dieses Hauses ein Verhältnis mit dem verheirateten Winzer hatte, bringt den ermittelnden Kommissar Badenhop, soeben aus seiner Hamburger Heimat in die Pfalz versetzt, auf eine erste Spur. Doch er tut sich zunächst schwer mit den Gepflogenheiten in dem für ihn so fremdartigen Landstrich. Und dass er nicht eben ein ausgewiesener Weinkenner ist, ist in diesem Fall äußerst hinderlich, denn schließlich dreht sich in der Pfalz alles um den Rebensaft. Insbesondere in diesem Mordfall.

Von dem, was Jürgen Mathäß in seinem ersten Kriminalroman beim Emons-Verlag vorlegt, können sich viele seiner Autorenkollegen mehr als eine Scheibe abschneiden. Sein Wissen um die Pfalz und ihre Weinszene ist nicht hastig zusammenrecherchiert, sondern wurzelt in jahrzehntelanger Tätigkeit als Weinjournalist. Er ist ein ausgewiesener Fachmann, trotzdem erschlägt er den Leser niemals mit seinem Fachwissen, sondern behält immer den Kriminalfall im Auge. Dieser ist kompliziert konstruiert, spannend geschrieben und lädt durch logischen Aufbau und eingestreute Hinweise zum Mitraten ein. Zeitweise liest sich der Roman auch wie ein Restaurant- und Weinführer, vermutlich werde ich das Buch noch einmal lesen, und zwar mit einem Textmarker bewaffnet.

Ein tolles Buch!
Unbedingt lesen, und zwar sofort!