Donnerstag, 24. Mai 2012

Gisbert Haefs: Das Labyrinth von Ragusa

Es war nicht immer leicht im Europa des 16. Jahrhunderts: Die erste Belagerung Wiens durch das Osmanische Reich konnte zwar abgewehrt werden, aber die türkische Armee mit ihren gefürchteten Janitscharenkriegern rüstet bereits zum Gegenangriff. Jakob Spengler, Veteran dieser ersten Belagerung, hatte bereits viele Abenteuer überstanden als er sich in Venedig niederließ, um mit einer wohlhabenden Venezianerin eine Familie zu gründen. Doch das geruhsame Leben ist nur von kurzer Dauer, denn die osmanischen Flotte schneidet die Handelsmacht Venedig von ihren Wasserstraßen ab und bereitet die Rückeroberung einiger Stützpunkte in der Adria vor. Spengler reist ins damals zum osmanischen Reich gehörende Ragusa, das heutige Dubrovnik, um nach verschwundenen Mittelsmännern der Venezianer zu suchen. Gleichzeitig möchte er dort noch eine alte Rechnung begleichen. Ein spannendes Verwirrspiel beginnt.

Ich kenne und schätze die historischen Romane des Herrn Haefs nun schon lange. Er schafft es immer wieder, moderne Romangenres völlig glaubwürdig in der Vergangenheit anzusiedeln. In diesem Fall handelt es sich um einen regelrechten Agententhriller, der durch eine alte Blutfehde zusätzlich verkompliziert wird. Gisbert Haefs lässt sich Zeit damit, die Charaktere zu zeichnen. Genau deshalb wird es aber nie langweilig, und irgendwann möchte man diesen gelungenen Roman nicht mehr aus der Hand legen. Leider habe ich erst beim Lesen bemerkt, dass es sich hier bereits um den zweiten Band einer Reihe handelt. So gesehen weiß ich also schon, wie der erste Band ausgeht. Ich bin mir aber sicher, dass es trotzdem ein Vergnügen sein wird, ihn zu lesen.

Was soll ich lange drumherum reden: Daumen hoch, fünf Sterne und die Empfehlung: "unbedingt lesen"!

Sonntag, 20. Mai 2012

Ralf König: Dschin Dschin

...und zwar beide Teile:
  1. Der Zauberer des Schabbar
  2. Schleierzwang im Sündenpfuhl
Einst lebte im Land Washmit-Dash in der Oasenstadt Jammerjalla der Mufti Abdullah Abba Schachmatt. Der war ein sittenstrenger Miesepeter. Das Volk, seine drei Eheweiber und auch seine Kinder fürchteten ihn deshalb sehr. Nach einer Mahlzeit aus Reis und offensichtlich verdorbenem Hammelfleisch durchwacht er,  von heftigen Leibschmerzen geschüttelt, die Nacht. Da erscheint ihm der Erzengel Hirsemeel. Dieser findet, dass das Volk noch immer zu übermütig ist und erlässt kurzerhand noch ein paar Gebote, die der um sich greifenden Fröhlichkeit ein Ende bereiten sollen. "Denn das Leben ist grausam und hart, und darob jedes Vergnügen ein Greul!" betont der Erzengel, und der Mufti stimmt ihm unterwürfig zu. Und so zieht Schachmatt aus, um dem Volk das Fußballspielen, die Flötentöne, und das Rasieren zu verbieten. Doch er hat die Rechnung ohne den Zeichner gemacht: bald findet er sich in einer ungewohnten Rolle wieder. Einer für ihn sehr ungewohnten Rolle.

Ralf König nähert sich der Figur des Mufti ebenso frech, wie er mit der arabischen Erzähltradition respektvoll umgeht. Ganz im Stil eines Hâkawâti erzählt er eine komplex verschachtelte und Jahrhunderte umspannende Geschichte, wie sie ebenso in "Tausendundeine Nacht" stehen könnte. Allerdings nur in der unzensierten Fassung, nicht in der für Kinder. Es wäre schließlich kein "echter König", wenn es nicht wieder deftig zur Sache gehen würde.

Zwei überaus lustige Bücher, die durchaus auch kritische Töne anklingen lassen.

Lesen!

Mittwoch, 16. Mai 2012

Ralf König: Hempels Sofa

Martin ist ein Landkind. Der junge Mann ist in der fränkischen Provinz aufgewachsen, hilft fleißig auf dem Bauernhof seiner Eltern und erfreut sich an seinem Hobby, einer gradezu monumentalen Carrerabahn. Doch so richtig glücklich ist er nicht. Sein Bruder wird den Hof übernehmen, mit Frauen hat er, trotz seines daraus ansehnlichen Äußeren, kein Glück - kurz: Er ist einsam und will raus aus dem Trott.

So beschließt er, für ein paar Wochen nach Berlin zu gehen. Dort schlüpft er bei einem alten Schulfreund unter, sucht Kontakt zu einer Frau, die er über das Internet kennen gelernt hat und will seine in Jahrzehnten zusammengekaufte Carrerabahn an einen Sammler verkaufen. Er will endlich erwachsen werden.

Dieses Buch wäre kein echter "Ralf König", wenn es nicht bald drunter und drüber gehen würde. Die erotischen Verstrickungen entwickeln sich vielfältig und zahlreich, alles kommt anders, als gedacht. Und doch ersinnt Herr König eine wunderbare, gradezu hinreißend romantische Liebesgeschichte.

Lesen!

Montag, 14. Mai 2012

Ralf König: "Sie dürfen sich jetzt küssen"

Konrad und Paul möchten, nach 15 Jahren wilder Ehe, endlich heiraten. Jetzt geht das ja. Die Freunde sind neugierig, das war klar. Die Eltern sind allesamt entsetzt, auch das war zu erwarten. Nur Pauls Großmutter reagiert völlig anders als vermutet. Und ausgerechnet jetzt lernt Paul einen türkischen jungen Mann kennen, der nicht so recht weiß, ob er sich eher zu Frauen oder zu Männern hingezogen fühlen soll. Da steuert Paul natürlich gerne handfeste Entscheidungshilfen bei.

Die Figuren Konrad und Paul sind inzwischen auch schon echte Klassiker. Unzählige Abenteuer hat Ralf König sie bisher durchleben lassen. Konrad, der sensible und eher häusliche Pianist stellt dabei den ruhenden Pol dar und ist gelegentlich ziemlich genervt. Paul, der kleinwüchsige, promiskuitive Nimmersatt, ist eher der quirlige Teil des ungleichen Paars. Im Grunde sind die beiden wie Jack Lemmon und Walter Matthau, nur eben in schwul und mit Knollennasen. Eine herrlich erzählte Geschichte mit filmreifen Rückblenden und Zukunftsvisionen. Mal radikale Zwerchfellmassage und gelegentlich durchaus mit Tiefgang.

Ein Wort nur: Lesen!

Sonntag, 6. Mai 2012

Cedric Arnold: Volltreffer

Arthur lebt in beschaulichen und geordneten Verhältnissen. Sein Vater, einst berühmter und erfolgreicher Schriftsteller, hat ihm ein Erbe hinterlassen, welches ihm bei besonnener Lebensführung ein sicheres Auskommen ohne geregelte Arbeit garantiert. Man könnte sagen, dass er von Beruf Erbe ist, und zwar ein recht erfolgreicher. Das väterliche Anwesen, eine schon etwas heruntergekommene Villa mit großem Garten, erspart ihm die Miete, auch der vom Erzeuger geerbte Wagen wird sicher noch eine ganze Weile seinen Dienst verrichten. Sonntags pflegt er das väterliche Grab und für einen wöchentlichen Besuch bei einer Prostituierten reicht das Geld auch noch. So lebt er ein unaufgeregtes Leben in ländlicher Umgebung. Bis eines Tages im Haus gegenüber eine junge und bildschöne Frau einzieht. Sie hat es ihm sofort angetan und ab sofort bekommt sein Leben eine andere Taktung. Und das nicht nur wegen Susi. Bald geht alles drunter und drüber, finstere Gestalten geben sich die Klinke in die Hand, und nichts ist mehr, wie es noch Stunden vorher schien.

Als Student hatte ich einst ein Rennrad. Mit der richtigen Technik konnte ich mit der 21-Gangschaltung damals erstaunliche Geschwindigkeiten erzielen, ohne mich dabei sonderlich anzustrengen. Ich startete mit der kleinsten Übersetzung, arbeitete mich langsam und gemütlich zu deren Endgeschwindigkeit vor, und schaltete dann genau einen Gang nach oben und so fort. Schon im zehnten Gang konnte ich seinerzeit mühelos mit einem Mofa mithalten, im 21. Gang schwamm ich ganz locker im Autoverkehr einer Großstadt mit.

Dieses Buch beschleunigt mit einer vergleichbaren Technik:
(...und ja! Ich weiß, dass der Vergleich an den Haaren herbei gezogen ist.)
Im ersten Kapitel stellt uns der Autor seinen Protagonisten vor, eine Figur, die unspektakulärer nicht sein könnte. Und von Kapitel zu Kapitel steigert sich die Geschwindigkeit der Erzählung, immer irrwitziger wird die Handlung, immer abstruser die Einfälle des Autoren. Irgendwann nimmt dieser Kriminalroman derart Fahrt auf, dass man ihn nicht mehr aus der Hand legen möchte. Und dann fängt man an, zu begreifen. Und diese Aha-Erlebnisse halten an bis zur letzten Zeile. Erst da versteht man, warum der Autor für dieses Buch extra ein Pseudonym erfunden hat, denn auch das gehört zur Handlung.

Ein tolles und sehr unterhaltsames Buch, das unbedingt verfilmt werden sollte.
Und zwar von Bernd Eichinger.
Mit Leonardo Di Caprio.

Bis dahin sollten Sie es lesen. Und zwar unbedingt und sofort!