Montag, 29. August 2022

Brandon Q. Morris: Lost Moon - Mondfinsternis

Hard Science Fiction

„Was wäre wenn…?“

Das ist die Grundidee von Sciencefiction. Es werden wenige Parameter an der Wirklichkeit geändert, und dann schaut man, was passiert. Zugegeben: In diesem Buch ändert der unter einem Pseudonym schreibende deutsche Physiker einen ganz großen Parameter. Er setzt nämlich voraus, dass die Menschheit die Prozesse der Quantenmechanik so weit versteht und beherrscht, dass sie sich in der Lage sieht, auch sehr große Objekte sehr weit zu transportieren. In diesem Fall den Mond. Und zwar ins Kepler 16-System. In diesem Doppelsternsystem umkreist er nun einen Gasriesen, der in der offiziellen Terminologie Kepler-16 (AB)-b heißt, von den paar Dutzend Bewohnern verschiedener Mondstationen aber bald „Zeus“ getauft wird. 

Zugegeben: Das Szenario ist nicht sehr wahrscheinlich. Trotzdem lässt sich damit exemplarisch durchspielen, wie sich eine relativ kleine Gruppen von Menschen mit sehr begrenzten Ressourcen verhält, wenn mit Kontakt zur Heimatwelt nicht zu rechnen ist - jedenfalls nicht innerhalb der nächsten 200 Jahre. Und mit Hilfe erst recht nicht. 

Der Autor versteht es, einen innerhalb weniger Bildschirmseiten vollständig in die Geschichte einzusaugen und gefangen zu nehmen. Das Buch ist von Anfang an spannend bis zum Nägelabkauen!

Lesen, und zwar unbedingt und sofort!

Mittwoch, 24. August 2022

Brandon Q. Morris: Proxima-Logbücher

Hard Science Fiction

Ja, ja, ja! Mir ist klar, dass Sammelbesprechungen für die gezielte Suche in einem Blog nicht so praktisch sind, aber es gibt ja die Volltextsuche und ich zähle alle Titel hier im Text auf. Als da wären:

  • Marchenkos Kinder
  • In die Dunkelheit
  • In das Licht
  • Runaway
  • Evolution
  • Olom
  • Erdkurs

Über die Proxima-Trilogie, quasi das Prequel zu dieser Serie, habe ich bereits berichtet. Sie erzählt, wie zwei Menschen, Adam und Eva, als genetischer Code auf eine interstellare Reise ins Proxima-Centauri-System geschickt werden. Marchenko, die in einem früheren Abenteuer des Autoren nach einem Unfall aus einem menschlichen Bewusstsein entstandene KI, zieht sie dabei in dem sich erst auf der Reise von einer Mikrosonde zum ausgewachsenen Raumschiff entwickelnden Gefährt auf und ist deshalb de facto ihr Vater. Sie erleben Allerlei in fremdartigen Ökosystemen und treffen schließlich auf eine intelligente Spezies, die sich aus biologischen Gründen immer auf der Suche nach einer neuen Heimatwelt befindet. Damit ist die Trilogie eigentlich auserzählt, Adam und Eva sind gestrandet in einem anderen Sonnensystem. 

Und genau hier setzt die inzwischen siebenhändige Reihe der „Proxima-Logbücher ein:

Da Adam, Eva und Marchenko den Verdacht hegen, dass sie nicht den einzigen Versuch darstellen, ferne Sonnensysteme mit Menschen zu bevölkern, schließen sie sich den Vertretern dieser fremdartigen Spezies, den Großnopfen, an. So bereisen sie mit raffinierter und ausgeklügelter Technik weitere Sonnensysteme und lernen neue Lebensformen kennen. Schließlich entscheiden sich die Großnopfe, mit Adam und Eva das Sonnensystem der Erde zu besuchen, wo sie schließlich, über 200 Jahre nach ihrer Abreise, ankommen. Biologisch betrachtet sind Adam und Eva trotzdem noch relativ junge Leute, aber die meiste Zeit haben sie ja in den Tiefschlafkammern des Schiffs ihrer Freunde verbracht. 

Der Autor hat es geschafft, ein komplexes Sciencefiction-Universum zu schaffen, dass sich trotz gigantischer zurückgelegter Entfernungen und riesiger Zeitspannen immer noch realistisch und glaubwürdig anfühlt. Und genau das macht den Reiz seiner Bücher aus: Im Prinzip sind die benötigten Techniken heute schon zumindest erdacht, was er schildert, könnte in naher Zukunft so oder so ähnlich passieren. Und bei jeder neuen beschriebenen Welt durchdenkt er die physikalischen Parameter sorgfältig, malt sich die Konsequenzen für eventuelle biologische Lebensformen aus und baut darauf seine phantastische Erzählungen auf. Dass er am Ende des siebten Bandes einen gigantischen Cliffhanger einbaut, lässt mich auf eine Fortsetzung hoffen.

Alle verfügbaren Daumen nach oben (bei den Großnopfen sind das wenigstens vier) mindestens drölf Sterne und eine absolute Leseempfehlung für alle Freunde gut durchdachter Sciencefiction. 





































Dienstag, 9. August 2022

Ingo Arndt (Fotos) Veronika Straaß, Claus-Peter Lieckfeld (Texte): Überflieger

Die vier Leben der Schmetterlinge

Schmetterlinge haben tatsächlich vier Leben: 

  • Ei
  • Raupe 
  • Puppe
  • Imago

Jedem dieser Leben widmen die Autoren ein Kapitel. Dass das Buch noch ein fünftes Kapitel beinhaltet, ist dem Menschen geschuldet. Auch das Insektensterben und damit das Verschwinden der zweitgrößten Insektengruppe nach den Käfern wird thematisiert.

Ich sage es mal so: Die Bilder des renommierten Naturfotografen Arndt sind technisch brillant, von unvergleichlicher Schönheit, atemberaubend, verblüffend und ästhetisch über jeden Zweifel erhaben. Ich bilde mir ein, das beurteilen zu können, denn ich versuche mich selber seit mehr als dreißig Jahren an der Natur- und Makrofotografie. Die Texte der Biologin und Journalistin Straaß und des Autoren Lieckfeld sind fachlich überaus fundiert, informativ und außerdem witzig geschrieben. Auch das glaube ich beurteilen zu können, denn ich habe selber Biologie studiert.

Das Buch ist von der ersten bis zu letzten Seite ein Genuss. Absolute Leseempfehlung: Unbedingt, sofort und mit alles und viel scharf! 

Sonntag, 7. August 2022

Franitza, M., Götz, B. et al.: Das 1 x 1 für Gespannfahrer

Grundlagenwissen über Krafträder mit Beiwagen

Logisch strukturiert führt dieses Buch in die Grundlagen des Gespannfahrens ein: Geschichte, Technik, theoretische Grundlagen, Praxistipps für das Fahren eines Gespanns, die Auswahl eines passenden Gefährts und Verwendungszwecks. Eigentlich lässt dieses Buch keine Fragen offen.

Eigentlich.

Leider erliegen die hochkompetenten Autoren der Versuchung, ihr geballtes Wissen dem Leser ungefiltert und in keiner Form didaktifiziert zu präsentieren. Das Buch vermittelt tatsächlich viele Grundlagen, es setzt aber auch einige davon voraus. Insofern ist der Titel irreführend und weckt falsche Erwartungen. Das Buch ist kein Lehrbuch für Anfänger. Das Gegenteil ist der Fall: Gerade im Kapitel "Gespanntechnik" fliegen einem die Fachbegriffe ohne (oder ohne verständliche) Erklärung nur so um die Ohren. Wer also mit Wörtern wie "Achsschenkellenkung", "Nachlauf", "Langschwinge" oder "zweiarmige Schubschwinge" nichts anfangen kann, der versteht beim Lesen nur Bahnhof. Ein gutes Lehrbuch zeichnet sich gerade NICHT dadurch aus, dass man als Fachmann völlig ungefiltert vom Leder zieht. Ein gutes Lehrbuch holt den Leser da ab, wo er steht. Wenn im Titel eines Lehrbuches also das Wort "Grundlagenwissen" steht, erwarte ich, dass genau dieses Wissen vermittelt wird, nicht, dass es vorausgesetzt wird.

Fachlich sicher (soweit ich das überhaupt beurteilen kann) allerhöchstes Niveau, methodisch und didaktisch jedoch eher so "mittel". Man stelle sich einen Kochkurs "Grundlagen der Saucenküche" vor, in dem Grundsaucen wie die Hollandaise oder die Bernaise nicht erklärt sondern vom Teilnehmer unangekündigt erwartet werden. Oder ein Tanzkurs "Standardtänze", in dem der Tanzlehrer voraussetzt, dass die Tanzschüler die Grundschritte des Wiener Walzer und des Cha-Cha-Cha bereits beherrschen. Man würde sein Geld zurück verlangen!

Für gelernte KFZ-Mechaniker sicher ein Gewinn, für Anfänger jedoch nicht empfehlenswert.