Samstag, 26. September 2020

Erik Spiekermann: Ursache und Wirkung


ein typografischer Roman

Herr Spiekermann hat eine ungewöhnliche, aber dennoch sehr wichtige Profession: Er ist Typograf. Er gestaltet Schriften und befasst sich mit den Feinheiten des Schriftsatzes. 

"Braucht doch kein Mensch!" Werden Sie vielleicht jetzt sagen. "Dafür gibt es doch Computer." Und in der Tat provozieren die Rechenknechte immer mehr typografische Dilettanten, ihre Drucksachen selber zu gestalten. Und genau so sehen die dann auch aus. Schon bei einfachen PowerPoint-Präsentationen stehen mir gelegentlich ob des obszön zu nennenden Layouts die Haare zu Berge, aber da kann ich es verzeihen, denn solche Präsentationen sind vergänglich wie Eintagsfliegen. Geht das Eigenlayout aber dann in den Druck, hört für mich der Spaß auf. Eine Druckerei, die etwas auf sich hält, sollte sich schlicht weigern, so etwas auf Papier zu bringen.

Dieses Buch ist kein Lehrbuch. Es soll wohl lediglich dazu dienen, den geneigten Leser für schöne Typografie zu sensibilisieren. Das tut es auf äußerst unterhaltsame Weise, aber ein Roman ist es selbstverständlich nicht.

Lesen, und zwar unbedingt und sofort!


Freitag, 18. September 2020

Lilo Beil: Mädchen im roten Kleid

Der pensionierte Kripochef Friedrich Gontard geht einmal mehr seinem kostspieligen Hobby nach: Er treibt sich auf Versteigerungen herum und erwirbt Antiquitäten. Gemessen an seiner sonstigen Vorgehensweise ist er schlecht vorbereitet und lässt sich einfach von den angebotenen Stücken überraschen. Als am Ende der Auktion das Porträt eines Mädchens in einem roten Kleid feilgeboten wird, ist er deshalb wie vom Donner gerührt. Er kennt das Mädchen. Es ist Selma, seine Freundin aus Kindertagen. Als Tochter eines jüdischen Malers verschwand sie aus seinem Leben, als er selbst noch ein Kind war: Die Familie ging nach Südfrankreich ins Exil. Er ersteigert das Porträt für eine stattliche Summe. Als das Bild schließlich aus seiner Wohnung gestohlen wird und zudem die Leiche einer jungen Frau auftaucht, die mit dem portraitierten Kind eine gewisse Ähnlichkeit aufweist, beginnt für ihn eine Reise in die Vergangenheit.

Ich sage es einmal so: Eigentlich hatte ich mit dem Krimigenre abgeschlossen. Dachte, dass es an der Zeit sei, sich eher mit Sachbüchern und Klassikern zu beschäftigen. Eines Tages fand ich dann dieses Buch in meinem Briefkasten. Die Autorin hatte sich wohl daran erinnert, dass ich ihren Helden Gontard mag und auch sehr an den Rückblenden in ihren Romanen interessiert bin, die ins dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte führen. Da die von mir gelesenen Bücher der Frau Beil immer deutlich mehr Tiefgang hatten, als die meisten anderen mir bekannten Werke des Regionalkrimigenres, bin ich dann doch noch einmal rückfällig geworden. Und ich habe es nicht bereut. Irgendwann hatte mich das Buch regelrecht eingesaugt und ich konnte es nicht mehr aus der Hand legen. Ein geradezu klassischer Kriminalroman mit historischem Hintergrund.

Ein tolles Buch! Lesen, und zwar unbedingt und sofort.




Mittwoch, 16. September 2020

Mary L. Trump: Zu viel und nie genug

Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf

Eine Psychologin äußert sich über Donald Trump. Das ist nun wirklich nicht neu. Seit mindestens vier Jahren analysieren Psychologinnen und Psychologen den erfolgreichen (?) Immobilienmogul, Milliardär (?), Reality-Showstar und nun Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Interessant an diesem Buch ist, dass die promovierte klinische Psychologin Mary L. Trump - der Name lässt es bereits vermuten - die Nichte dieses Mannes ist. Anders als ihre Kolleginnen und Kollegen erstellt sie also keine Ferndiagnose. Sie kennt den Mann persönlich und nicht nur aus der Zeitung. Das ist stellenweise recht spannend, manchmal liest es sich wie ein persönlich motivierter Rachefeldzug. Trotzdem: Ein wichtiges Buch, das zu Lesen ich uneingeschränkt empfehle. 

Kostprobe gefällig?

"Die Wände seiner teuren und gut bewachten Gummizelle beginnen sich aufzulösen. Die Menschen, die Zugang zu ihm haben, sind schwächer als er, feiger, aber ganz genauso verzweifelt. 

Ihre Zukunft hängt unmittelbar von seinem Erfolg und Wohlwollen ab. Sie können oder wollen nicht wahrhaben, dass ihr Schicksal das gleiche sein wird wie das derjenigen, die ihm in der Vergangenheit die Treue geschworen haben. Es scheint, als gäbe es einen endlosen Nachschub an Menschen, die willens sind, dem Club der Claqueure beizutreten, der Donald vor seinen Unzulänglichkeiten schützt und seinen völlig unbegründeten Glauben an sich selbst aufrechterhält. Auch wenn Donald von mächtigeren Menschen, als er selbst es ist, in die Institutionen eingesetzt wurde, die ihn von Anfang an abgeschirmt haben, sind es die Schwächeren, die ihm ermöglichen, sich dort zu halten."


Lesen! Und zwar unbedingt und sofort!