Montag, 15. Juli 2024

Alejandro Jodorowsky, Möbius: Der Incal

... und zwar alle sechs Bände, als da wären:

  1. Der schwarze Incal
  2. Der Incal des Lichts
  3. In tiefsten Tiefen
  4. In höchsten Höhen
  5. In weiter Ferne
  6. In nächster Nähe
Es muss so Anfang der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts gewesen sein, da sah ich bei einem Freund ein Comicbuch, wie ich noch nie eines gesehen hatte: Ein phantastisches Science-Fiction-Universum wurde da abgebildet mit einer dystropischen Stadtlandschaft, einer apokalyptisch anmutenden, diktatorischen Gesellschaftsform, mit fliegenden Autos und mit einem sprechenden Vogel ohne Federn. Das Buch endete mit einem geradezu sadistischen Cliffhanger! Ich wollte unbedingt wissen, wie es weitergeht, aber es gab einfach noch keinen zweiten Band. Irgendwann kam dann der zweite Band, ich wartete brav, bis mein Freund ihn gelesen hatte um ihn mir dann auszuleihen. Den zweiten Band, nicht meinen Freund. Und wieder: Irre faszinierende Geschichte, ganze SciFi-Universen eröffneten sich und am Ende: Cliffhanger und dann Sendepause. 
Tatsächlich zog sich die Veröffentlichung der sechs Abenteuer des John Difool zur Rettung des Universums von 1981 bis 1988. Ich habe den Zyklus also tatsächlich nie bis zu Ende gelesen, denn meinen Freund habe ich irgendwann aus den Augen verloren, und das Sammeln kostspieliger Comicbücher konnte ich mir in dieser Zeit nicht leisten. 
Bis jetzt! Heute habe ich mir die sechs Bände an einem Stück in den Kopf gekloppt. Die Bände 1, 2, 4, 5 und 6 hatte ich schon letzte Woche in der Paketabholstation, nur der Band 3 kam erst heute als Einzellieferung. Die Folter, nach den Bänden 1 und 2 NOCH einmal eine Zwangspause einlegen zu müssen, bis ich weiterlesen kann, wollte ich mir nicht antun. Deshalb habe ich fünf phantastische Comicbücher nicht ausgepackt, weil mir das sechste fehlte. Das ist ungefähr so als wenn in einem Restaurant der Kellner das Essen auf den Tisch stellt und wieder abzischt, man dann aber noch fünf Minuten mit knurrendem Magen und Essensduft in der Nase auf das Besteck warten muss. Das geht besser, Frau Amazon, aber bei nächster Gelegenheit gehe ich ohnehin wieder zum Büchedealer meines Vertrauens. Ich bereue es, untreu geworden zu sein.

"Jetzt schreibt der schon sein zwei Bildschirmseiten, und ich weiß immer noch nicht, worum es geht!" werden Sie möglicherweise denken und vielleicht sogar etwas verärgert sein. Bei Comicbüchern mache ich das jedoch nie. Man liest sie einfach zu schnell, als dass ich mit einem Handlungsabriss spoilern sollte. 
Etwas sei dann doch gesagt: John Difool ist Privatdetektiv der Klasse R, ein klassischer Anti-Held. Ganz ähnlich dem Taxifahrer Korben Dallas aus "das fünfte Element". Nur nicht so cool wie der von Bruce Willis verkörperte Korben. Und nicht so... grün!  
Er stolpert, ohne es zu wollen, in das Abenteuer seines Lebens, die Ereignisse überschlagen sich ständig, und am Ende ist er der Superheld, der das Universum rettet. Und in keiner Sekunde verliert er dabei seine "Difooligkeit", den mürrischen und mutlosen Quengler, der sich viel lieber mit seiner großen Liebe auf dem nächsten Paradiesplaneten vergnügen würde als ausgerechnet das Universum zu retten. Ein episches Werk und ein Kunstwerk!
Dass ich dabei immer an "das fünfte Element" denken muss ist kein Zufall: Möbius und Jodorowsky waren an zahlreichen Filmprojekten beteiligt, unter Anderem an einer Version von DUNE, die zwar nie gedreht wurde, dann aber dennoch in Form von Ideen der beiden Genies in die erste Verfilmung eingeflossen ist, an ALIEN und eben auch an "das fünfte Element". (zumindest Jean Giraud alias Möbius)

Es tauchen im Comic wie in den von ihnen beeinflussten Filmen immer wieder knietiefe Verbeugungen vor Klassikern des Genres auf (z. B. den Werke von Fritz Lang oder Stanley Kubrick), aber auch ihr eigenes Schaffen liefert stilbildende und -prägende Schablonen. 

Ich möchte dem SPLITTER-Verlag an dieser Stelle von ganzem Herzen für die qualitativ hochwertige Neuauflage danken und diese  zu Lesen sehr empfehlen:

Lesen, und zwar unbedingt und sofort!

Sonntag, 30. Juni 2024

Sascha Mamczak: Science Fiction

Ein so umfassendes und vielfältiges literarisches und cineastisches Phänomen wie Science Fiction auf nur 100 Seiten umfassend zu erklären, das weiß auch Sascha Mamczak, ist schlechterdings unmöglich. Für den Neuling in diesem Genre bietet das Buch aber eine gute Orientierung. Man erfährt, dass in Science Fiction eben nicht um fliegende Autos geht, dass diese allenfalls ein Mittel zum Zweck sind, niemals aber Inhalt. Für den eingefleischten SF-Enthusiasten, und als solchen begreife ich mich, bietet das Buch ein ganzes Buffet an wertvollen Lesetipps und Filmempfehlungen. Das meiste kenne ich natürlich schon, aber wie heißt es so schön: Kammanochmakucken!

Lesen, und zwar unbedingt und sofort!

Freitag, 21. Juni 2024

Nico Semsrott: Brüssel sehen und sterben

Wie ich im Europaparlament meinen Glauben an (fast) alles verloren habe

Im Jahr 2019 passiert das Unglaubliche: DIE PARTEI zieht zum zweiten Mal ins Europaparlament ein. Dieses Mal ist sie mit zwei Mandaten mit von der Partie: Martin Sonneborn auf Platz eins der Liste, Nico Semsrott auf Platz zwei. Semsrott merkt bald, dass dieses Parlament, mehr noch als die meisten anderen, fast völlig machtlos ist, dafür umso korrupter und teuer! Er verzweifelt fast an den verkrusteten Machtstrukturen. Versucht er zunächst noch, seine Abgeordnetenprivilegien zu nutzen, um die Strukturen zu bekämpfen, die ihm genau diese Privilegien und Mittel zur Verfügung stellen, lernt er irgendwann, dass er keine Chance in diesem Spiel hat - zu ungleich werden die Karten gemischt. Dieses System macht krank - das kann der ohnehin schon depressive Semsrott am wenigsten gebrauchen, dieses System verbiegt jeden - auch Semsrott - und der Einzelne hat keinerlei Wirksamkeit. Er zieht die Reißleine: er tritt aus der PARTEI aus, führt bis zum Ende seiner Legislatur vor Allem Besuchergruppen herum und kandidiert nicht mehr. 

Aber er hat dieses Buch geschrieben, um uns davon zu berichten. Das sollte jeder mündige Bürger lesen. Und zwar unbedingt und sofort!

Mittwoch, 19. Juni 2024

Ralf König: Harter Psücharter

Er hat es wieder getan! Während der Corona-Pandemie hat Ralf König damit angefangen, seine Fans über soziale Medien mit kleinen, abgeschlossenen Comicepisoden bei Laune zu halten. Die Reaktionen seiner Leser waren unmittelbar und positiv, so konnte er sie gleich in den nächsten Geschichten mit verarbeiten. Ein Buch war wohl ursprünglich nicht geplant, aber es kamen dann doch so viele Comic-Strips zustande, dass es sich gelohnt hat, eines daraus zu machen. Und inzwischen ist aus diesem Format der dritte Band hervorgegangen. 

Ich werde nichts zur Handlung erzählen. Nur so viel: Es geht um Bären, ein Ledertreffen ohne Sex, Genderverwirrung und um eine Weihnachtsgans namens Alfred. 

Sehr, sehr lustig, stellenweise auch berührend und nachdenklich. Wie immer eigentlich bei Herrn König, den ich für den aktuell besten Comiczeichner Deutschlands halte. Aber das habe ich bestimmt schon mehr als einmal gesagt.

Lesen, und zwar ZACK-ZACK!

Montag, 17. Juni 2024

Claudia Metz, Klaus Schubert: Abgefahren

In 16 Jahren um die Welt

Im Jahr 1980 gibt Klaus seine Schwester Laila am Flughafen das Versprechen, sie mit dem Motorrad besuchen zu kommen. In einem Jahr will er das Vorhaben verwirklichen. Eine kühne Idee, denn sie steigt kurz darauf in ein Flugzeug nach Japan. Sie hat dort geheiratet und wohnt bei ihrem Mann.Tatsächlich setzt sich der dann erst dreiundzwanzigjährige Klaus ein Jahr später auf ein neues Motorrad, und bricht zum Abenteuer seines Lebens auf. Seine zwanzigjährige Freundin Claudia will ihn nicht alleine fahren lassen, also kauft auch sie sich ein Mopped und begleitet ihn. Irgendwann beschließen sie unterwegs, noch ein paar Kilometer dranzuhängen und so sind sie schließlich sechzehn Jahre unterwegs. Sie bereisen alle Kontinente außer der Antarktis, lernen viele Menschen und deren Kulturen kennen und beobachten die Zerstörung der Natur. Ihr Bericht erzählt exemplarisch davon und ist ebenso interessant wie berührend.

Lesen, und zwar unbedingt und sofort.

Mittwoch, 15. Mai 2024

Judith Schalansky: Taschenatlas der abgelegenen Inseln

Fünfundfünfzig Inseln auf denen ich nie war und niemals sein werde

Fünfundfünfzig unbekannte oder schwer zu erreichende Eilande, über jedes gibt es eine Geschichte zu erzählen. Mal spannend, mal lapidar, skurril, gelegentlich auch entsetzlich, aber immer irgendwie interessant. Judith Schalansky erzählt diese Geschichte, nicht zu lang und nicht zu kurz. Zu jeder Insel gibt es noch eine geographische Einordnung und eine wunderschöne Illustration.

Ein wundervolles Buch, das zu lesen ich dringend empfehle.

Freitag, 3. Mai 2024

Martin Sonneborn: Herr Sonneborn bleibt in Brüssel

Neue Abenteuer im Europaparlament

Womit niemand gerechnet hätte ist eingetreten: Der Satiriker und ehemalige Titanic-Chefredakteur hat es zum zweiten Mal ins Europaparlament geschafft. DIE PARTEI errang sogar zwei Mandate.

Jetzt, kurz vor dem Ende seiner zweiten Legislaturperiode bilanziert der Parlamentarier seine Arbeit, und die ist rückblickend bei Weitem nicht so albern wie in der ersten. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, Verschwendung, verkommene Moral und vor Allem Korruption ans Licht der Öffentlichkeit zu zerren. Dabei verbeißt er sich in seine politischen Lieblingsfeinde wie ein Terrier ins Hosenbein. Die ihm als fraktionslosem Abgeordneten zustehende Redezeit (60 Sekunden zu bestimmten Anlässen) baut er in dieser zweiten Legislatur zu einer regelrechten Kunstform aus und er trifft immer. Mit jedem Wort, mit jeder Kunstpause und mit jedem "Ähh".

Oder, um es mit der "Weltwoche" zu sagen:

"Dem Hofnarren ist das Lachen vergangen

Der Satiriker Martin Sonneborn wollte mit seiner Spasspartei die EU humoristisch aufspiessen. Heute zählt er zu von der Leyens härtesten Kritikern im Europaparlament. Denn die Realität hat die Groteske der Satire übertroffen, dem Hofnarren ist das Lachen im Hals steckengeblieben. Unverhofft wurde er seriös, zur Ein-Mann-Kampagne gegen Korruption, Amtsanmassung und Dilettantismus. »Er ist«, so ein EU-Beobachter, »was das Dorf von Asterix für das Römische Reich war: ein schmerzender Stachel.«

In meinen Augen der wichtigste Abgeordnete in Brüssel. Meine Stimme hat er.

Dringende Lese- und Wahlempfehlung.

 

Montag, 29. April 2024

Michael Landgraf: Pfälzisch - Alla Hopp Un Ufbasse

Soviel geschmunzelt wie beim Lesen dieses Buches habe ich schon lange nicht mehr. Und dabei ist diese Einführung in den pfälzischen Dialekt durchaus ernst gemeint: kenntnisreich setzt sich der Autor mit der Linguistik des Pfälzischen auseinander, klärt über regionale Besonderheiten der Sprachen in unterschiedlichen Teilen der Pfalz auf, erläutert Aussprache und Herkunft der Wörter und vermittelt so einen guten Überblick über die Gesetzmäßigkeiten dieses Dialekts. Dabei sind die gewählten Beispiele sehr anschaulich und nicht selten zwerchfellerschütternd. 


Unbedingt lesen und zwar sofort!

Freitag, 23. Februar 2024

Bettina Schnerr: LEGO

Auf rund 100 Seiten erzählt die Autorin weit mehr als die Firmengeschichte des Herstellers der weltberühmten Systembausteine. Es geht vielmehr auch um die Kulturgeschichte des Spielzeugs und der Freizeitparks, Fangeschichten und letzten Endes auch um unsere Geschichte. Denn wir haben alle mit den Bauklötzen aus Dänemark gespielt. Alle.

Also lesen, und zwar unbedingt und sofort!

Freitag, 16. Februar 2024

Holger Hanowell: Johnny Cash

In dieser "Mini-Biographie" beleuchtet der Autor kenntnisreich und spannend das Leben und künstlerische Wirken des Man In Black. Von den frühen Jahren bis zum Spätwerk ist alles dabei, wer Cash mag sollte sich dieses Buch nicht entgehen lassen.

Lesen!