Sonntag, 27. Dezember 2009

Jan Weiler: Mein Leben als Mensch

Jan Weiler lebt mit seiner Frau Sara und mit Carla und Nick, seinen zwei lebhaften Kindern zusammen. Dazu gesellen sich ab und zu noch ein Urzeitkrebs namens Holger, sein italienischer Schwiegervater Antonio sowie Natalya, das Ukrainische Au-pair-Mädchen mit einem Diplom in Physik. Die Abenteuer, die diese Familie durchlebt sind ebenso alltäglich wie unterhaltsam.

"Jan Weiler lesen macht einfach Spaß!" sagt die Brigitte ohne "zu" und Komma. Nun, Frau Brigitte: da kann ich nicht zustimmen! Ich habe Herrn Weiler bis heute noch nicht gelesen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, wie das gehen soll: einen Menschen lesen. Allein die Vorstellung hat schon etwas esotherisches. Allerdings habe ich mir schon einige seiner Bücher in den Kopf geschoben. Und das hat Spaß gemacht.
Probiert es aus!

Freitag, 25. Dezember 2009

Markus Orths: Hirngespinste

Martin Kranich ist Schriftsteller. In sein ersten Buch, den "Schulgeschichten", nimmt er gnadenlos das hessische Schulsystem aufs Korn. Da ist er selbst als Lehrer gescheitert. Entsprechend lustig war das Buch und entsprechend groß der Erfolg. Nun ist das Honorar fast aufgebraucht, und neben der daraus resultierenden Geldknappheit plagt ihn eine chronische Schreibhemmung. Um wenigstens das Geld für die Miete zu sparen schlüpft er bei seiner Erbtante in Heidelberg unter. Die ehemalige Hebamme hat noch einene kleine Dachwohnung in ihrem Haus frei und freut sich über gelegentlichen Besuch ihres Neffen. Doch es kommt wie es kommen muss: die Gelegenheiten, die sie nutzt, um sich von ihrem Neffen besuchen zu lassen, werden immer zahlreicher und die Schreibblockade immer größer. Als dann noch seine schwangere Schwester einzieht und ihn in die Geburtsvorbereitungen mit einbindet, wendet er sich Hilfe suchend an einen befreundeten Hirnforscher. Dieser soll mit wissenschaftlichen Methoden die Kreativbremse aus Kranichs Gehirn entfernen.

Wie schon in seinem Roman "Lehrerzimmer", ist der Held Martin Kranich wohl als literarisches Alter Ego des Autors zu verstehen. Auf 158 äußerst unterhaltsamen Seiten schildert er satirisch die Sorgen und Nöte der schreibenden Zunft. Dabei wird so gekonnt übertrieben und fabuliert, dass ich mich als Leser schon mühsam zusammenreißen musste, um nicht im Café oder auf dem Friseurstuhl laut loszusachen. Warum sich der Autor für das Titelbild im Ballettkleidchen als Nummerngirl hat ablichten lassen, wird mir jedoch immer verborgen bleiben. Ballett kommt überhaupt nicht vor.

Lesen!

Sonntag, 20. Dezember 2009

Meinard Braun: Fliessende Welt

Kyra ist eine Vollwaise amerikanisch-japanischer Abstammung. Sie ist in Japan aufgewachsen, lebt aber heute in der Nähe von Heidelberg und betreibt in einem alten Industriegelände eine Schule für asiatische Kampfkunst. Eines Tages erhält sie Besuch von ihrem alten Lehrmeister und Ziehvater Tanaka. In ihr werden alte Erinnerungen wachgerufen, die die Zeit vor dem Tod ihrer Eltern betreffen, und dann überschlagen sich die Ereignisse.

Wieder eine hervorragende und spannende Kriminalgeschichte des Herrn Braun. Die Charaktere sind samt und sonders schlüssig durchkonstruiert und sehr vielschichtig. Ihre jeweiligen psychologischen Hintergründe machen ihr Handeln authentisch und glaubwürdig. Hier schreibt ein Profi!

Unbedingt lesen!

Montag, 14. Dezember 2009

Bernd Franzinger: Leidenstour

Für den jungen Radrennprofi Florian Scheuermann geht ein Traum in Erfüllung: Er wird in das aktuell erfolgreichste Radsportteam aufgenommen und darf an der Tour de France teilnehmen. Doch bald muss er erkennen, dass seine Idole aus der Profi-Radwelt keineswegs so sauber sind, wie nach außen immer propagiert wird. Schnell gerät auch er in einen Sumpf aus völlig skrupellosem high-tech Doping und mafiösen Gewaltstrukturen. Als sein Mechaniker schließlich mit einer Fahrradkette erdrosselt aufgefunden wird, schaltet sich Kommissar Tannenberg ein und ermittelt.

Ich sag's mal so: Wenn mir ein Buch nicht gefällt, dann lasse ich es oft lange "angebrochen" herumliegen und lese es schließlich nicht zuende. Dieses Buch habe ich Samstagnachmittag angefangen und war trotz diverser anderer noch zu erledigender Tätigkeiten am Sonntag abend pünktlich zum Einschlafen fertig. Das ist auf jeden Fall schon einmal ein Riesenkompliment an den Autor. Doch bitte ich schon jetzt um Verzeihung, falls der Autor dieses Geschreibsel jemals lesen sollte: Tolle Ideen, die aber inhaltlich mehr hergegeben hätten. In der Geschichte bleiben ein paar "lose Enden" übrig, die nicht in den Handlungsstrang eingeflochten wurden. Auch sprachlich erscheint mir dieses Buch noch ausbaufähig. Trotzdem funktioniert das Buch: Man fängt es an, und man legt es erst wieder aus der Hand, wenn es fertig gelesen ist.

Probiert es aus!

Samstag, 12. Dezember 2009

Rainer Martin Mittl: Septembermorde

Der ehemals erfolgreiche Kinderbuchautor Jörg Semmler möchte sich nach mehreren unverkäuflichen Veröffentlichungen in dem für ihn neuen Genre des Kriminalromans versuchen. Monatelang quält er sich am Computer herum, ohne so recht voran zu kommen. Da überreicht ihm ein völlig Fremder eine Sammlung von Notizen, die sich bei genauerem Hinsehen als wahre Fundgrube an Ideen für einen spannenden Krimiplot erweisen. Haargenau wird auf Zetteln und Briefbögen der Ablauf eines ziemlich perfekten Verbrechens dargestellt, fast so, als sei der Autor dieser Notizen daran beteiligt gewesen. Beunruhigend nur, dass dieser Fall sich laut Aussage des Fremden genau so zugetragen haben soll. Noch beunruhigender, dass sich in unmittelbarer Nachbarschaft des Autors genau dieser Fall zutragen wird. Als der Schriftsteller merkt, dass alles bis ins kleinste Detail mit dem Inhalt der Zettelsammlung übereinstimmt, bekommt er Hilfe von unerwarteter Seite.

Herr Mittl gelingt es, in seiner kafkaesken Geschichte eine beklemmende Spannung aufzubauen, die einen bis zur letzten Seite nicht mehr loslässt. Er lässt seine Leser an den Ermittlungen teilhaben, indem er Stück für Stück die Wahrheit enthüllt, ohne dabei auf billige Tricks wie falsche Spuren oder im letzten Augenblick aus dem Hut gezauberte Doppelgänger oder Zwillingsbrüder zu verfallen. Jedes kleine Detail wird verwertet, jeder noch so kleine Hinweis hat eine Bedeutung. So soll ein guter Krimi sein. So, und auf keinen Fall anders.

Unbedingt lesen!

Montag, 7. Dezember 2009

Terry Pratchett: Eine Insel

In der Regel schließe ich mich der Meinung meines Bücherdealers vorbehaltlos und vertrauensvoll an, aber bei diesem Buch musste ich ihm erst einmal widersprechen. Ein Roman, dessen Handlung mit einer Naturkatastrophe und hunderten von Leichen beginnt, entspricht definitiv nicht meiner Vorstellung von einem Kinderbuch. Allenfalls für ältere Jugendliche schien es mir nach den ersten Kapiteln geeignet. Doch der Reihe nach:

Als der junge Mau nach einem Initiationsritus über das Meer auf seine Heimatinsel im südlichen Pelagischen Ozean zurückkehrt, findet er seine Nation nicht mehr vor - sie wurde zusammen mit allen Menschen durch einen Tsunami ausgelöscht. Allein ist er trotzdem nicht. Auf der Insel ist ein Segelschiff gestrandet. An Bord befindet sich Daphne, die Tochter des britischen Thronerben. Auch sie hat die Katastrophe nur um ein Haar überlebt, mit ihr kam noch ein überaus ordinär fluchender Papagei auf die Insel, der Rest der Mannschaft ist nicht mehr.

Die beiden Jugendlichen beginnen, zusammen mit weiteren, nach und nach strandenden Überlebenden, die Nation neu aufzubauen. Dabei lernen sie viel voneinander und machen gemeinsam ganz erstaunliche Entdeckungen.

Terry Pratchett, dem Erfinder des magischen Scheibenwelt-Paralleluniversums, gelingt es in diesem Buch, den Leser ganz ohne Magie zu bezaubern. Er verknüpft seine Fähigkeit, Menschen genau und liebevoll zu analysieren mit seinem bizarren Humor und seinen fast schon schrulligen Einfällen für die Handlung. Die Protagonisten gewinnt man schon während der ersten Kapitel lieb (Ja! Sogar den Papagei!), und als schließlich das Happy End abzusehen ist, muss man sich schon eine Träne im Knopfloch verkneifen, weil's halt ein so schönes Buch ist und auch so schade, dass es schon vorbei ist. Nun... Vielleicht ist dieses Buch doch für Kinder geeignet. Zumindest für große Kinder.

Lesen!