Sonntag, 17. April 2011
Christoph Koch: Ich bin dann mal offline
Ein Selbstversuch - Leben ohne Internet und Handy
Als nach einem Umzug der Neuanschluss der DSL-Leitung zunächst nicht klappen will, kauft der Autor sich einen zur damaligen Zeit noch sündhaft teuren USB-Stick, um über das Mobilfunknetz endlich wieder Emails auf seinem Laptop empfangen zu können. Als er die Anschlussgebühr und die anschließende Monatsabrechnung zusammenaddiert, wird ihm erst klar, dass er um ein paar Tage Verzögerung bei der DSL-Versorgung zu überbrücken rund 600,- € auszugeben bereit war. Und zwar ohne zu zögern.
Er beginnt, sein Online-Verhalten in Frage zu stellen und entwirft einen Selbstversuch: Was wäre, wenn man seinen Internetanschluss und sein Mobiltelefon eines Tages einfach ausgeschaltet ließe? Er beschließt, dies für vier Wochen auszuprobieren und eine digitale Fastenzeit einzuhalten.
Mit einer Kollegin tausche ich hin und wieder Bücher aus: "Kennen sie das schon?" oder "Das müssen Sie unbedingt lesen!" sagen wir uns schon lange nicht mehr. Wir legen uns einfach gegenseitig stapelweise Bücher auf den Schreibtisch oder ins Postfach. Der mit Lesevorschlägen beglückte nimmt sich den Stapel mit nach Hause und liest, was immer er von dem Stapel lesen möchte. Gelegentlich unterhalten wir uns über die gelesenen Bücher, so bekommen wir langsam ein Gespür für die Lesevorlieben des jeweils Anderen. Schön!
Dieses Buch passte allerdings so gar nicht zu den bisher von der Kollegin geliehenen Büchern. "Ein Sachbuch?" nörgelte mein Hippocampus. "Es wurde doch bisher immer Belletristik gereicht! Krimis und Romane der spannenden und fesselnden Sorte!" quengelte der innere Schweinehund. Widerwillig legte ich es auf den "Noch zu lesen"-Stapel, der in meiner Küche bedenklich schwankend in Richtung Zimmerdecke wächst. Gerade für mich, der ich gegenüber meinen Schülern gerne die Behauptung aufstelle, ich sei schon internetsüchtig gewesen, noch bevor sie lesen und schreiben konnten, stellt der Inhalt dieses Selbstversuchs eine an die Flagellanten des Mittelalters erinnende Form von Sektierertum dar.
Inzwischen habe ich es gelesen, "in mich hineingefressen" möchte ich sagen. Der unterhaltsam geschriebene Bericht hat mich von Anfang an in seinen Bann gezogen, die in kleinen Häppchen eingestreuten Sachinformationen wurden vom Autor sorgfältig in die Chronologie der Handlung eingeflochten. Hier wird eben nicht nur die Geschichte eines Entzugs erzählt, ich lernte auch noch, ihn durch die Brille verschiedener Fachwissenschaften zu verstehen. Im Spiegel dieses Buches begann ich, mein eigenes Online-Verhalten kritisch zu beobachten. Ich erkannte, dass es sich lohnen kann, hin und wieder eine Email nicht sofort zu beantworten oder das Mobiltelefon nicht nur stumm zu schalten, sondern es gänzlich auszumachen und zuhause zu lassen.
Dieses interessante und extrem nützliche Buch jetzt hier in meinem Bücherblog zu loben, erscheint mir allerdings schon etwas widersinnig, aber was soll's: Lesen!
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Von einem Outing als Internetsüchtiger gegenüber Schülern wusste ich zwar nichts. Aber ich dachte, dass für jemanden, der (mindestens) einen Blog betreibt, meist online zu sein scheint, auf Social Networks agiert und so umfassende Kenntnisse von Hard-, Software und Web hat, dieses Buch interessant sein könnte. Vielleicht als Inspiration zur Selbsterkenntnis oder als Therapieimpuls ...
AntwortenLöschenHallo Herr oder Frau Anonym,
AntwortenLöscheneigentlich werden hier keine Kommentare freigeschaltet, zu denen sich der Autor desselben nicht bekennt. Ich meine aber, am Sprachstil erkennen zu können, wer mir da etwas hinterlassen hat. Deshalb weiche ich hier ausnahmsweise von einem Grundsatz ab. Bei dieser Gelegenheit: Es sind inzwischen drei Blogs ;-)
www.a-kluth.de