Dienstag, 23. August 2011

Rafik Schami: Die Frau, die ihren Mann auf dem Flohmarkt verkaufte

Wer bei einem Buch des syrischstämmigen Erzählers bezaubernde Geschichten erwartet, der vermutet auch bei diesem Werk nichts Falsches. Aber hier geht es um mehr. Um viel mehr. Rafik Schami erklärt uns nicht nur, wie das mündliche Erzählen funktioniert und warum er dieser ältesten Form der Literatur sein Leben gewidmet hat. Er beklagt auch den Mangel an kulturellem Selbstbewusstsein vieler arabischer Schriftstellerkollegen und klagt schließlich schlechte Übersetzer auf das Schärfste an. So funktioniert Literatur eben nicht, so werden Erzählungen ihrer Seele beraubt. Seine Erzählungen funktionieren. Das weiß ich schon lange! Und deshalb würde ich ihn zu gerne einmal bei einem seiner Erzählabende persönlich kennenlernen und erleben. Bis dahin muss ich mich wohl mit seinen Büchern begnügen. Die sind derart herausragend, dass ich sie hiermit dringend zu lesen empfehlen möchte.

Sonntag, 14. August 2011

Cody McFadyen: Die Blutlinie

"Ich bin dem schwarzen Zug, wie ich ihn nenne, während meines ersten Falles begegnet. Er ist schwierig zu beschreiben. (...) Er fährt auf Gleisen, die aus zerbrechlichen, empfindlichen Dingen gemacht sind. Es ist der Zug, auf dem Typen wie Jack Junior fahren. Ein Zug voller Mord und Sex und Schreie. Eine große, schwarze, bluttrinkende Schlange auf Rädern. (...) Wenn man auf den schwarzen Zug aufspringt und sich durch die Leichenwagen nach vorne arbeitet, trifft man schließlich auf den Zugführer. Er ist das Monster, das man jagt, und er taucht in vielerlei Gestalt auf. Er kann klein und kahlköpfig und vierzig sein. Oder groß und blond und jung. Manchmal - selten - ist er auch eine Sie. An Bord des schwarzen Zuges sieht man den Zugführer so, wie er wirklich ist, hinter seinem falschen Lächeln und dem dreiteiligen Anzug. Du starrst in die Dunkelheit, und in diesem Moment, wenn Du hinsiehst, ohne zu blinzeln, verstehst Du."

Smoky Barret ist FBI-Agentin in einer Spezialabteilung für Kindesentführung und Serienmorde. Sie hat eine steile Karriere hinter sich, denn sie ist eine der Besten auf diesem Gebiet. Was sie jedoch nicht davor schützt, selbst Opfer eines Gewaltverbrechens zu werden. Sie verliert ihren Mann und ihre Tochter, muss selber schreckliche Folterungen und Verstümmelungen erleiden. Nun ist sie auf dem Weg zurück in die Normalität. Sie beginnt, ihre Depressionen zu überwinden und sich mit der Traumatisierung zu arrangieren. Sie will wieder arbeiten, denn das ist das Einzige, was ihr geblieben ist. Ihr erster Fall nach der Genesung befasst sich ausgerechnet die Ermordung ihrer besten Freundin aus Highschool-Zeiten. Doch muss sie bald feststellen, dass ihr eigenes Unglück und das ihrer Freundin eng miteinander verbunden sind.

Cody McFadyen gelingt es, die Innenwelten seiner Protagonisten so gnadenlos auszuleuchten, dass einem als Leser mehr als einmal der Atem stockt. Man will dann dieses Buch nicht mehr weiterlesen. Zu schaurig sind die Abgründe, die sich vor einem auftun. Doch irgendwann packt es einen wieder, man will wissen, wie es weitergeht. Und dann legt man diesen Roman nicht mehr aus der Hand.

Für Kinder: Finger weg!
Für Erwachsene: Unbedingt lesen!

Sonntag, 7. August 2011

Simon Beckett: Verwesung

Jerome Monk hat eine Mordserie gestanden, und soll nun der Polizei helfen, die Gräber seiner Opfer ausfindig zu machen. Schwer bewacht wird er in das Moor geführt, wo die Gräber vermutet werden. Doch schon bald ist er nicht mehr kooperativ. Acht Jahre später erschlägt der Hüne einen Mithäftling und entkommt. Für David Hunter beginnt ein Albtraum.

Der vierte Roman um den forensischen Antropologen Hunter spielt auf mehreren Zeitebenen, die alle durch den Furcht einflößenden Serienmörder verbunden sind. So erfährt man auch etwas über das Vorleben des Protagonisten, der Frau und Kind bei einem Autounfall verloren hat. Trickreich legt der Autor in dem komplizierten Fall immer neue Spuren bis man als Leser erkennt, dass nichts ist, wie es scheint.

Ein intelligent geschriebenes und äußerst spannendes Buch. Lesen!

Dienstag, 2. August 2011

Simon Beckett: Leichenblässe

Die "Anthropology Research Facility" in Knoxville/Tennessee ist eine Forschungsanstalt, in der die Vorgänge bei der Verwesung menschlicher Leichen unter verschiedensten Bedingungen wissenschaftlich erforscht werden. "Body Farm" - "Leichenfarm" - wird das Institut von den meisten Menschen in Tennessee genannt. David Hunter, einer der führenden forensischen Anthropologen Englands, hält sich in der Body Farm auf, um sein Leben zu überdenken. Selbst nur knapp einem Attentat entkommen, kamen ihm während seines anschließenden Krankenhausaufenthalts Zweifel, ob er den seelischen Strapazen seines Berufes überhaupt noch gewachsen ist. Als sich dann noch seine Lebensgefährtin von ihm trennt, kommt er der Aufforderung seines alten Freunds und Mentors Tom Liebermann gerne nach, im anthropologischen Institut Knoxville seine Kenntnisse aufzufrischen und auf den neuesten Stand zu bringen.

Liebermann wird in die Untersuchung eines seltsamen Mordfalls einbezogen, Hunter begleitet ihn, zunächst nur als Beobachter. Die Umstände des Mordes deuten auf das psychologische Profil eines Serientäters hin, eine Vermutung, die leider nur zu bald bestätigt wird. Und so wird es wieder lebensgefährlich für den schwermütigen Forensiker.

Simon Becketts Kriminalromane sind spannend und stecken bis zum Epilog voller verblüffender Ideen und überraschender Wendungen. Ich kann sie uneingeschränkt empfehlen. Wer jedoch eine blühende Phantasie und einen schwachen Magen sein eigen nennt, der sollte sie nicht ausgerechnet beim Frühstück genießen.

Unbedingt lesen!