Mittwoch, 28. März 2012

Christian Bartel: Für eine Handvoll Kamelle - Rheinland (ein Heimatbuch)

"Das Rheinland gilt als größte zusammenhängende Frohnatur
Europas und zieht mit seinen reizvollen Umgehungsstraßen und voll verklinkerten Ortschaften mehr Touristen an als Nowosibirsk und der Mond zusammen. Auch Landschaft ist vorhanden. Sie besteht aus Kohlfeldern, etwas Gebüsch und einem Fluss, dessen Ränder vollkommen mit Burgruinen überkrustet sind.
An den neblichten Ufern des Rheins wurde einst die Romantik
erfunden, die der Rheinländer seither mithilfe von prächtigen Karnevalsumzügen zu vertreiben versucht. Karneval ist eine Art Bürgerkrieg in lustig und neben obergärigem Bier die größte eigenständige Kulturleistung der Rheinländer. Der Dom zählt nicht, den haben die Preußen zu Ende gebaut.
Aber auch bedeutende Zivilisationen haben ihre Spuren entlang des Rheins hinterlassen: Die Römer haben Köln gegründet und wieder aufgegeben, die Bundespolitik dagegen eine Hauptstadt namens Bonn, geblieben ist immer bloß der Rheinländer."


Allein die Tatsache, dass Herr Bartel nicht die recht eng gefasste Definition des eingebürgerten Südtirolers und Wahlrheinländers Konrad Beikircher für sein Buch zu Grunde legt, mag die Eingeborenen der Städte Koblenz oder Düsseldorf zunächst für das Buch einnehmen. Laut Beikircher umfasst das Rheinland im engeren Sinne nämlich nur die Uferstreifen zwischen Leverkusen im Norden, und dem Vinxtbach im Süden. Und zwar vor Allem der linke Uferstreifen, der rechte wird schon als "Schäl Sigg" verunglimpft. Im Norden grenzt man sich so ab vom niederrheinischen Kappeskopp, der den ganzen Tag mit offenem Mund auf dem Acker steht, nach Norden gafft und auf die Flut wartet. Der kleine Bach zwischen Bad Breisig und Burgbrohl hingegen stellt tatsächlich eine wissenschaftlich definierte Dialektgrenze dar. Bartel ist da etwas großzügiger. Das versöhnt den Öcher, den Düsseldorfer und den Koblenzer zunächst einmal.
Sie kuscheln sich sozusagen ein in das warme Gefühl, nun doch wieder anerkannt dazu zu gehören. Bis sie folgendes lesen: "Der Rheinländer ist genauso ein Arschloch wie jeder andere auch und das Rheinland liegt nicht gerade hinterm Mond. Außerdem lässt die affirmative Rheinländerbetrachtung die Theodizeefrage außer Acht: Wie kommt all das Böse und Rheinland, wenn der Rheinländer so gut ist?" Damit hat der Öcher nicht gerechnet, und der Koblenzer empört sich. Der Düsseldorfer rümpft distinguiert die Nase, nur dem Kölner ist das drissejaal. 



In diesem Buch aus der Reihe "Heimatbuch" des Conbook-Verlags nimmt Herr Bartel alle mir bekannten Vorurteile über das Rheinland im Allgemeinen, und über den Rheinländer im Besonderen unter die Lupe und auseinander. Heraus kommt eine krude Mischung aus Reiseführer und kabarettistischer Betrachtung, die ich jedem als Zwerchfelltraining zu studieren empfehle. Auch und besonders meinen Landsleuten aus dem Rheinland.

Unbedingt lesen!

Sonntag, 11. März 2012

Carsten Sebastian Henn: Carpe Vinum

Auch wenn es der erste Roman aus der Eichendorf-Reihe nahe legt: Der wertvollste Besitz eines Kochs sind nicht seine Messer. Die mögen von japanischen Schwertschmieden handgefertigt sein, aus feinstem Damaststahl und mit einem Heft aus zehntausend Jahre alter Mooreiche, aber es sind doch nur Werkzeuge. Austauschbare Werkzeuge, deren Qualität für das Arbeiten in einer Küche zwar von Bedeutung ist, aber sie sind nicht der wertvollste Besitz eines Kochs. Das wertvollste im Besitz eines Kochs sind die Rezepte! Köche sammeln Rezepte und Rezeptbücher. Sie schreiben sie mit bedacht auf, eigene Kreationen werden gehütet und bewahrt. Und solche Rezeptsammlungen werden dann von Generation zu Generation weitergegeben und erweitert. Und genau so eine Familienrezeptsammlung befindet sich unter den Kochbüchern von Julius Eichendorf. Und sie wird gestohlen. Zu allem Überfluss ermordet der Dieb auch noch einen zufällig beim Einbruch auftauchenden Lieferanten der alten Eiche, und zwar auf äußerst bizarre Art und Weise. Und dann erpresst er den Koch.

Dieser Eichendorf-Krimi entwickelt sich mit rasanter Geschwindigkeit. Der Autor sprudelte mal wieder über vor Ideen, und auch das Zwerchfell kommt nicht ungeschoren davon. Und dann, mitten im Buch, ist die Geschichte um die verlorenen Rezepte auch schon zu Ende. Und man denkt "Ist das zu fassen?" und "Was soll denn das?", und dann blättert man weiter. Und dann kommen sie: Alle Rezepte aus allen Eichendorf-Krimis. Gestaltet und aufgeschrieben von den besten Köchen der Eifel (und das sind nicht wenige) und serviert von Carsten Henn. Das Buch mit der Kriminalgeschichte um verlorene Rezepte ist selbst ein Rezeptbuch, und ich bekomme schon beim Lesen Hunger. Eine bezaubernde Idee und damit verdient sich "Carpe Vinum" mindestens fünf Sterne und alle verfügbaren Daumen nach oben. Schade nur, dass ich keine Ahnung habe, wo ich es jetzt aufbewahren soll: Im Bücherschrank oder in der Küche? Egal: Ich kaufe einfach ein zweites Exemplar!

Unbedingt lesen, und zwar sofort!

Freitag, 9. März 2012

Carsten Sebastian Henn: Vino Diavolo

Julius ist am Ende: Seinem Restaurant droht mangels Gästen der Bankrott. An einem eiskalten Novembermorgen erwacht er mitten in einem Weinberg. Der Schädel brummt ob exzessiven Weingenusses am Vorabend, er weiß beim besten Willen nicht, wie er dort hin gekommen ist - Filmriss. Und ausgerechnet in diesem Weinberg wird nun unweit von Julius Schlafstatt sein schärfster Konkurrent ermordet aufgefunden. Von den Arbeitern der Eisweinlese wird er zudem auch noch gesehen, da ist leugnen zwecklos. Bald zweifelt er selber an seiner Unschuld. Ist Eichendorf ein Mörder?

Auch in diesem kulinarisch-oenologischen Roman muss der Sternekoch wieder einen verzwickten Fall lösen. Nicht zum ersten mal gerät er dabei selber ins Fadenkreuz der Ermittler. Die Geschichte ist spannend erzählt, es ist eine Freude, diesen Roman zu lesen. Und auch der Humor kommt nicht zu kurz.

Lesen!