Sonntag, 30. Juni 2013

Timur Vermes: Er ist wieder da

Auf einem unbebauten Grundstück im Berlin des Jahres 2011 wacht er auf: Adolf Hitler ist wieder da. Seine Uniform riecht etwas nach Benzin, manchmal überkommen ihn rätselhafte Kopfschmerzen, aber sonst ist ER wieder ganz der Alte. Erklärt wird das nicht, man muss das auch nicht erklären, denn es handelt sich um ein "was wäre wenn"-Gedankenexperiment, ganz in der Tradition guter Science-Fiction-Literatur.

ER ist zunächst verwirrt ob all der ungewohnt erscheinenden Dinge, die er beobachtet, doch der Leser merkt schnell: ER hat eine hervorragend ausgeprägte Beobachtungsgabe und findet sich gut zurecht im modernen Berlin. Ein Kioskbesitzer leistet Starthilfe, weil er ihn für einen genialen Comedian hält und vermittelt Kontakte zum Fernsehen. ER nutzt das Medium, als habe er es selbst erfunden - was der historischen Wirklichkeit ja durchaus nahe kommt. Und so gewinnt ER bei seiner rasch entstehenden Fangemeinde Einfluss.

Timur Vermes liefert ein brillantes Gedankenexperiment ab! Lacht man am Anfang des Buches noch ÜBER den großen Diktator, so ist man nach und nach von seiner raschen Auffassungsgabe und enormen Anpassungsfähigkeit fasziniert. Irgendwann lacht man nicht mehr ÜBER ihn, sondern MIT ihm. Spätestens da wurde mit klar, dass dies ein wichtiges und gutes Buch ist. Und das sollte man lesen, nicht sich vorlesen lassen. Und das alles sofort!

Daumen hoch und fünf Sterne!

Mittwoch, 5. Juni 2013

Richard Dawkins: Das egoistische Gen

Ergänzte und überarbeitete Auflage

Was ist eigentlich die Triebfeder des Lebens, was treibt Evolution an?
Lernte ich in meiner Kindheit und Jugend noch in den Fernsehdokumentationen dieser Zeit, dass die Erhaltung der Art Ziel allen Handelns innerhalb der Reiche des Lebendigen ist, so merkten nicht nur aufmerksame Wissenschaftler bald, dass diese Hypothese zu einfach gestrickt ist und man damit bei weitem nicht alle biologischen Phänomene befriedigend erklären kann. Schon gar nicht die Evolution selbst, die ja ständig neue Arten hervorbringt. Auch die später geäußerte Vermutung, das möglichst häufige Verbreiten der eigenen Gene in die nächste Generation sei die ursprüngliche Motivation allen Lebens bringt nicht in jedem Fall weiter.

Dawkins schlug Mitte der 70er Jahre eine völlig andere Sichtweise vor: Er betrachtete die Vorgänge von Variation, Mutation und Selektion direkt aus der Perspektive der Gene selbst. Am Anfang waren lediglich kleine Moleküle, die die Fähigkeit hatten, sie selbst zu replizieren. Er nennt sie deshalb Replikatoren. Diese Replikation läuft nicht immer völlig fehlerfrei ab, so entstanden mit der Zeit Variationen der Replikatoren. Manche Replikatoren konnten sich besser replizieren, manche weniger gut. Erstere nahmen deshalb an Häufigkeit zu, die letztgenannten starben mit der Zeit aus. Irgendwann schlossen sich Replikatoren zusammen. Sie replizierten sich als Gruppe. Einige Gruppen von Replikatoren konnten neben Kopien ihrer selbst auch andere Moleküle produzieren, die bei der Replikation nützlich waren. Sei es, dass diese Moleküle die Replikation selbst beschleunigten, sei es, dass sie halfen, Baumaterial für die Replikation zu gewinnen, indem sie andere Replikatoren in ihre Bestandteile zersetzen. Man kann sich leicht vorstellen, dass die Replikatoren mit der Zeit "lernten", sich mit einer Hülle zu schützen. Die ersten, primitiven Zellen erschienen auf der Bildfläche. Diese Zellen waren nun die Überlebensmaschinen der Replikatoren. Schließlich schlossen sich diese wiederum zu Gruppen zusammen und so weiter.

Dawkins Sichtweise aus der Perspektive der Gene ist nur eine der möglichen Neuinterpretation der darwinschen Evolutionslehre. Von allen mir bisher bekannten fasziniert sie mich jedoch am meisten. Diese Ausgabe seines Werks beinhaltet gegenüber der Erstauflage noch zahlreiche Ergänzungen und Verbesserungen in Form von umfangreichen Fußnoten, sowie zwei erst für diese Auflage verfasste Kapitel.

Dawkins ist inzwischen eine der Leitfiguren einer modernen, wissenschaftlich orientierten Atheismusbewegung. Ironischerweise stammt das mir vorliegende Buch, welches ich gebraucht erworben habe, aus dem Bestand der Bücherei einer Pfarrgemeinde in Süddeutschland. Dort wurde es aussortiert. Ein Schurke, wer böses dabei denkt.

Ein tolles und absolut lesenswertes Buch. Und da es sich, von einer einzigen Fußnote abgesehen, ausschließlich mit Wissenschaft beschäftigt, kann ich es wirklich jedem klar denkenden Menschen empfehlen. Bei einigen anderen Werken des Autors bin ich da etwas vorsichtiger.

Dienstag, 4. Juni 2013

Walter Moers: Der Pinguin

A Very Graphic Novel

Ein verliebtes Eskimopärchen bekommt Besuch von einem ziemlich merkwürdigen Pinguin, der sich aufdringlich in ihrem Zuhause breit macht. Innerhalb kürzester Zeit geht in dem kleinen Iglu drunter und drüber. Und das völlig ohne Worte.

Die Geschichte ist brutal, versaut und zum Brüllen komisch. Ein echter Moers also! Allerdings handelt es sich um die Neuauflage eines Comics, der bereits 1997 unter dem Namen "Wenn der Pinguin zweimal klopft" im Eichborn Verlag erschienen ist. Jetzt erlebt die kleine Moritat ein Comeback in Farbe und als recht hübsch gemachtes Büchlein. Ob dies den Preis wert ist, muss jeder für sich entscheiden.