Freitag, 28. September 2012

Ralf König: Elftausend Jungfrauen

Die britannische Prinzessin Ursula pilgerte um 300 unserer Zeitrechnung zusammen mit zehn Freundinnen zum Papst nach Rom und erlitt bei ihrer Rückkehr vor den Toren der Stadt Köln das Martyrium. So steht es in den Heiligenlegenden über die Kölner Schutzpatronin. Bei Ralf König werden aus den elf Jungfrauen elftausend, was für sich genommen schon einem Wunder gleich kommt, denn in der Spätantike dieses Comics geht es ausgesprochen frivol zur Sache. Auch und vor allem in den Klöstern und Kirchen. So wundert es nicht, dass auch der heilige Vater eher ein sabbernder Grabscher ist denn ein frommer Stellvertreter Christi.

Auch dieses Buch des Herrn König habe ich von meinem Bücherdealer abgeholt und zunächst in der Originalverpackung belassen. So lange, bis ich mir Sicher war, dass ich die Zeit finde, es in einem Rutsch zu lesen. Und dieser Tag war heute: Folie abreißen, Einband betrachten, über das Lesebändchen freuen und abtauchen. Eben bin ich wieder aufgetaucht, und mir ist noch immer ganz schwindelig vom vielen Kichern. Meine Beine sind mit blauen Flecke übersät vom vielen Schenkelklopfen und meine Nachbarn halten mich jetzt vermutlich endgültig für verrückt.

Und ja: Man darf über religiöse Institutionen und auch über Religionen selbst lachen. Daran ist nichts beleidigendes, und das ist gute, alte Tradition im Rheinland und auch anderswo.

Ein tolles Buch! Unbedingt lesen, und zwar sofort.

Akif Pirinçci: Göttergleich

Der schnurrhaarige Klugscheißer Francis überlebt nur knapp einen Unfall. Seitdem ist nichts mehr wie es war. Immer wieder läuft die Zeit ein Stück rückwärts, Geschehenes wir ungeschehen und alternative Handlungsabfolgen werden möglich. Als haben die Verletzungen des Unfalls ein Tor aufgestoßen, nimmt Francis auf einmal Dinge wahr, von denen er früher nicht einmal geträumt hätte. Und er ist nicht allein. Bald kommt er einer Verschwörung auf die Spur, in die selbst höchste Regierungskreise verstrickt sind.

Die Entwicklung der Handlung eines anderen Romans von Akif Pirinçci verglich ich vor einiger Zeit mit dem langsamen aber stetigen Hochschalten eines Rennrads. Dieses Buch entwickelt eine andere Dynamik, die mir eher wie die Beschleunigung einer U-Bahn vorkommt. In einem atemberaubenden Tempo jagt sie durch den Tunnel und nimmt den Leser mit zur nächsten Haltestelle. Dort kann man ganz kurz verschnaufen, dann rast sie wieder los.

Dieses Buch ist außergewöhnlich, faszinierend, spannend und phantastisch. Ich wünsche ihm noch viele Leser, die ebenso begeistert sind wie ich.

Unbedingt lesen, und zwar sofort!

Samstag, 8. September 2012

Judith Merchant: Nibelungenmord

Unweit des idyllischen Königswinter, in einem kleinen Seitental des Rheins, befinden sich Höhlen. Genauer gesagt sind es ehemalige Basaltsteinbrüche, die später als Weinkeller und auch als Luftschutzbunker benutzt wurden. Heute werden die "Drachenhöhlen" nur noch selten betreten, hier spielen allenfalls noch Kinder. Und genau in so einer Höhle wird eine Frau entdeckt: Auffallend gut gekleidet, und auffallend tot.
Weil zeitgleich die Gattin eines wohlhabenden Notars verschwindet, glaubt Kommissar Jan Seidel zunächst, nur eins und eins zusammenzählen zu müssen. Der Notar hat seit Jahren eine Geliebte, die exzentrische Künstlerin hätte also ein Motiv gehabt, und ein glaubwürdiges Alibi hat sie auch nicht.
Doch der Fall ist viel komplexer, als zunächst angenommen, und bald gerät auch der Kommissar in Lebensgefahr.
Frau Merchant gestaltet ihre Protagonisten nicht wie zweidimensionale Scherenschnitte. Sie haben Ecken, Kanten und auch ein Leben nach Feierabend. Das ist es, was diesen Roman so interessant, die Handlung so überzeugend werden lässt. Der interessante und mit viel Liebe zum Detail gestaltete Krimiplot trägt seinen Teil zur Qualität dieses Buches bei, und auch sprachlich bewegt sich die Autorin auf hohem Niveau. 

Ein tolles Buch! Unbedingt lesen, und zwar sofort!

Noch ein Tipp: Ich habe die beiden Romane von Frau Merchant in der falschen Reihenfolge gelesen. Das schmälert etwas den Genuss bei den Nebenhandlungen. Deshalb empfehle ich, die Reihenfolge einzuhalten.