Mittwoch, 13. Oktober 2021

Gerhard Hofmann: Kunigunde Kirchner

Auf den Spuren einer Legende

In Neustadt habe ich mehrere Jahre in der Kunigundenstraße gewohnt. Alter Fachwerkbestand, Dachgeschoss - schön. Wenn ich an Samstagen morgens länger zu schlafen versucht habe, wurde ich nicht selten geweckt von den kräftigen Stimmen der Stadtführer, die den Touristengruppen mein schönes Neustadt gezeigt und erklärt haben. Die Kunigundenstraße war wohl bei jeder Führung eine wichtige Station, denn hier soll sie auf die Welt gekommen sein, die Heldin von Neustadt. Kunigunde Kirchner soll während der Erbfolgekriege als blutjunges Ding die Stadt vor der Vernichtung durch französische Truppen bewahrt haben. Und zwar auf ebenso anrührende wie effektive Weise. Vor dem Kommandeur der feindlichen Armee Johann Peter de Werth soll sie auf die Knie gefallen sein mit der eindringlichen Bitte um Verschonung ihrer Stadt. Dieser soll angesichts der Schönheit der damals 15jährigen derart ergriffen gewesen sein, dass er nicht nur der Bitte nachkam, sondern auch gleich noch die edle (wenn auch bürgerliche) Jungfer geehelicht und heim ins Frankenland geführt haben soll. Soweit die Legende, die ich im Schlafzimmer meiner Dachwohnung in der Kunigundenstraße jeden Samstag gehört habe. In den verschiedensten Sprachen und Versionen.

Doch was ist dran an der Geschichte? Handelt es sich bei Kunigunde Kirchner um eine historisch belegbare Person? (Spoiler: Ja) Hat der Kniefall der Kunigunde tatsächlich Neustadt vor der Einäscherung bewahrt? (Spoiler: Nein, aber das hat ja wohl auch niemand ernsthaft erwartet.)

Der geschichtsinteressierte Neustadter Künstler Gerhard Hofmann trägt in seiner Festschrift zum 350. Geburtstag der Heimatlegende historische Fakten zum Thema zusammen. Er sichtet und bewertet Urkunden, Zeitungsartikel und künstlerische Darstellungen aus mehreren Jahrhunderten und beleuchtet so die Geschichte des Raums aus einer ganz besonderen Perspektive. 


Das Ergebnis seiner Nachforschungen ist alles Andere als eindeutig, aber so ist das halt in der Wissenschaft: Wenn man irgendein Problem abschließend lösen könnte, dann könnten wir den Laden gleich dicht machen.

Ein überaus interessantes kleine Büchlein. Lesen, und zwar unbedingt und sofort!

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