Montag, 18. Oktober 2021

Beate Knappe: Bestandteil


Stück vom Ganzen

Frauen in Chemnitz/DDR

Wie war das noch, im Jahr 1990 in Deutschland? Die Mauer war gefallen, der Ostblock und damit der Kalte Krieg lösten sich langsam auf. Wir alle waren besoffen vor Glück. Es gab sie noch, die DDR. Selbstbewusst wählte man im zweiten deutschen Staat eine demokratisch legitimierte Regierung, trug die Mauer und den Todesstreifen ab und benannte Karl-Marx-Stadt wieder in Chemnitz um. Es war noch nicht abzusehen, wie klein das Zeitfenster für eine Wiedervereinigung Deutschlands sein würde, wie groß die Sachzwänge und wie begrenzt die Handlungsoptionen. Es herrschte Aufbruchstimmung!

Die junge, aber in der Reportagefotografie durchaus erfahrene Fotografin Beate Knappe reiste ins zweite Deutschland, um dort das Leben von Frauen zu dokumentieren. Hier wurde schließlich längst gelebt, was im Westen noch lange nicht in jedem Bereich selbstverständlich war: Gleichberechtigung. Aber stimmte das wirklich? Beate suchte Frauen an ihren Arbeitsplätzen auf, aber auch im Privaten. Die skeptische Sichtweise der Fotografin wird bereits auf den ersten Bildern deutlich: Bald findet sich das Bild einer Eingangstüre zu einer erotische (pornografischen?) Video-Show, dann ein sauber aufgeräumter Büroarbeitsplatz mit einem großen Frauenaktbild an der Wand. Das Poster ist nicht unbedingt geschmacklos, aber heute würde man mit Sicherheit daran Anstoß nehmen. Es folgen zahlreiche, einfühlsame Fotografien von Frauen in den verschiedensten Situationen. 

Ich halte dieses Buch für ein besonders gelungenes Dokument der Zeitgeschichte. Man sollte immer im Kopf behalten, dass es ihn einst gab, diesen zweiten deutschen Staat, in dem so vieles gleich war, und doch vieles so unterschiedlich. 

Leider nur noch antiquarisch zu erhalten. Wem sich die Gelegenheit bietet: Zuschlagen! Ein gutes und wichtiges Buch.


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